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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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erinnern.
    »Es war der 23. August 1988. Eigentlich ein gewöhnlicher …«
    »… Dienstagmorgen«, fällt Kristin mir so überraschend ins Wort, dass wir es gemeinsam aussprechen.
    Den Bruchteil einer Sekunde später treffen sich unsere Blicke.
    »Ich weiß! An diesem Tag ist Julie geboren.«

[home]
V. Kapitel
    K ristin ist wieder gefahren. Sie wird Tom erzählen, was geschehen ist, was sie über mich und meine Vergangenheit erfahren hat. Doch auch ihr Mann wird ihr nicht weiterhelfen können; auch er wird nicht verstehen. Es gibt so viele Dinge, die niemand von uns versteht – so viele Dinge, die nur Julie uns beantworten könnte.
    Hin- und hergerissen hatte die ängstliche Hälfte meines inneren Ichs laut »Nein!« geschrien, als Kristin mich gebeten hatte, mit ihr zurückzufahren. Die andere Hälfte jedoch war entschlossen, Klarheit zu erlangen, und brannte förmlich darauf, Julies Geheimnis zu erfahren.
    Nach etlichen Minuten der Unentschlossenheit bat ich um ein paar Tage Auszeit. Natürlich willigte Kristin ein.
    Nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, spiegelte sich aufrichtiger Kummer in ihrem Blick wider.
    »Matt, ich kann nicht mal erahnen, was du durchgemacht hast. Ich weiß nun zum ersten Mal, wie sich unsere Freunde damals gefühlt haben müssen, denn ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich mich nun verhalten soll. Oder was ich dir sagen könnte. Es gibt keine Worte für das, was ich empfinde. Aber wenn du reden willst, dann weißt du, dass ich immer für dich da bin, mein Junge. Ja?«
    Sanft hatte sie über meinen Handrücken gestreichelt und geduldig auf mein Nicken gewartet.
    Und wirklich, ich war ihr sehr dankbar, auch wenn ich natürlich niemals auf dieses Angebot zurückkommen würde.
    Gott sei Dank hatte Kristin das Album zugeklappt, sobald sie den Artikel zurück in seine Lasche geschoben hatte.
    Wie ein geheimes Buch, das sie verbotenerweise geöffnet hatte und dessen Inhalt sie nun am liebsten wieder aus ihrem Bewusstsein gelöscht hätte, hatte sie es weggelegt.
    Dennoch hatte dieser Artikel Kristin die Antworten auf ihre Fragen geliefert.
    Nun weiß sie, dass es das Motiv von Julies Bild war, das mich so erschreckt hatte, und sie weiß auch,
was
ihre Tochter seit so langer Zeit schon malt. Warum Julie das tut, kann auch ich ihrer Mutter nicht beantworten. Das ist eine Frage, die ich mir selbst unentwegt stelle und für deren Auflösung ich weiß Gott was geben würde.
    Es ist zum Verrücktwerden. So, als würden wir irgendetwas übersehen – ein wichtiges Detail, dessen Fehlen es uns unmöglich macht, die einzelnen Puzzleteile zu einem klärenden Gesamtbild zusammenzufügen.
    Auch für Kristin, da bin ich mir sicher, bergen die Ereignisse, von denen sie heute erst erfahren hat, so viele neue Fragen in sich, dass sie noch schwer genug daran zu knabbern haben wird.
    Die folgenden Seiten meines Albums hätten sie nur noch zusätzlich belastet. Völlig unnötig. Und so bin ich erleichtert, dass sie sich – und auch mir – das erspart hat.
    An Schlaf ist in dieser Nacht nicht zu denken. Stundenlang wälze ich mich hin und her. Meine Vision, in der ich Julie auf der weiten Blumenwiese traf, ihre offensichtliche Reaktion auf mich – und nur auf mich – ihr Klavierspiel, das unleugbare Motiv ihres Bildes, der Tag ihrer Geburt ...
    Es sind zu viele Zufälle; sie müssen einfach eine tiefere Bedeutung haben, das spüre ich nun deutlich.
    Immer wieder sehe ich Julie vor mir. Wie sie mich an dem Tag unserer ersten Begegnung angeschaut hatte.
    Dieses vertraute Licht hinter dem Grün ihrer Augen, diese unerklärliche Faszination, die sie schon bei unserer ersten Begegnung in mir ausgelöst hatte. Erneut verbringe ich Stunden auf der Suche nach einer Erklärung für all das.
    Eine Erklärung, die nicht darauf hinausläuft, dass ich geisteskrank bin – eine, die den Rahmen der Rationalität nicht völlig sprengt.
    Doch sosehr ich auch grüble, ich kann mir einfach keinen Reim auf die Ereignisse der vergangenen Wochen machen, ich erkenne keine Plausibilität, keine logische Fügung. Tausend Fragen, auf die ich die Antwort nicht kenne, tanzen wild in meinem Kopf und scheinen sich von Sekunde zu Sekunde zu vermehren.
    Ich schaffe es noch nicht einmal, sie grob zu ordnen.
    Mit einem Seufzen wende ich mich meiner Freundin, der kleinen, flackernden Lampe zu – doch auch sie weiß keinen Rat. Langsam, aber sicher wird mir klar, dass es wohl keine andere Möglichkeit gibt. Der Weg, der sich vor

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