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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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die kleine Falte zwischen ihren Augen glätte.
    Mary scheint für einen Moment tief in sich hineinzuhorchen. Schließlich schüttelt sie den Kopf. »Nein.« Ich bemerke den Hauch von Ehrfurcht in ihren Augen, als sie mich ansieht.
    »Dann weißt du jetzt, wie ich arbeite.«
    »Oh, mein Gott, Matt!« Mary greift nach mir, schlingt ihre Arme um meinen Hals und zieht mich zu sich herab. Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. »Weißt du eigentlich, was du da für eine Gabe hast?«
    Der Morgen graut bereits, als Mary neben mir einschläft. Es ist eine unglaubliche Erleichterung, vertrauensvoll mit jemandem sprechen zu können. Überhaupt ist es eine große Hilfe, sie an meiner Seite zu wissen.
    Nur wenige Stunden später steigen wir in meinen alten Ford und lassen den grauen Matsch der Stadt hinter uns. Die Bäume am Straßenrand wirken wie von Mehl bestäubt. Mary sieht aus dem Seitenfenster. Sie schweigt. Ich lasse ihr die Ruhe. Sie braucht sie, um die Erlebnisse der letzten Nacht zu verarbeiten.
    Schließlich biege ich in die schmale Straße ein, die eigentlich kaum mehr als ein holpriger Pfad ist. Er führt uns direkt zum Haus der Kents. Der Schnee auf der Zufahrt ist unberührt.
    Wahrscheinlich ist Kristin seit ihrem Besuch bei mir nicht mehr vor die Tür gegangen.
    Friedlich liegt das kleine Haus mitten in dem weißen Nichts. Sein Blau sticht als einziger Farbfleck der gesamten Szenerie hervor; Rauch quillt aus dem langen Schornstein und verschwindet in dem milchigen Himmel. Unwillkürlich muss ich an das sehr ähnliche Motiv einer Weihnachtskarte denken, die meine Eltern mir vor langer Zeit schrieben.
    Dieses noch so junge Jahr wird das dreizehnte ohne sie werden.
    Mary steigt aus dem Wagen und drückt mir den Sekt in die Hand, den wir als Neujahrsgruß mitgebracht haben.
    Mit einem etwas unsicheren »Guten Morgen« begrüße ich Kristin, die uns die Tür öffnet und zunächst erstaunt zu mir empor- und dann zu Mary herabblickt.
    Nur einen Moment später umarmt sie mich. »Du bist wieder da. Komm ins Warme, Junge.«
    In ihrer herzlichen Art schüttelt sie Mary die Hand und drückt sie an sich, noch bevor ich überhaupt die Möglichkeit habe, die beiden einander vorzustellen.
    Als Kristin unsere Jacken entgegennimmt, kommt auch Tom auf uns zu. Sein Gang ist nach wie vor etwas steif, ich werde intensiver mit ihm arbeiten müssen.
    »Hallo Matt, wie schön! Oh, du hast jemanden mitgebracht. Sind Sie nicht die junge Dame aus der Praxis? Ich wusste nicht, dass ihr ...« Mit einem verblüfften Gesichtsausdruck deutet er zwischen Mary und mir hin und her.
    Kristin scheint sich nicht entscheiden zu können, ob sie das Gestammel ihres Mannes amüsant oder unangebracht finden soll. »Du musst ja auch nicht alles wissen, nicht wahr, mein Lieber? Das ist übrigens Mary.«
    Wieder stehe ich mit offenem Mund neben ihr, komme jedoch erneut nicht dazu, sie vorzustellen.
    Mary sieht zu mir empor, ich zwinkere ihr zu. Ja, das ist die Herzlichkeit, die ich in diesem Haus so liebe und von der ich ihr bereits im Vorfeld vorgeschwärmt hatte.
    Im Wohnzimmer treffen wir auf Kristins Schwester Diane und ihren Mann Wilson, denen wir flüchtig vorgestellt werden. Die beiden sind anscheinend gerade im Begriff, wieder abzureisen. Ihr gepackter Koffer steht schon in der Diele.
    »Wo ist Julie?«, frage ich, als ich sie nirgends entdecken kann. Sofort verfinstern sich die Gesichter aller Anwesenden. Tom und Kristin werfen sich einen Blick zu, der mir einen Schauder über den Rücken jagt.
    »Was ist mit ihr?«
    Wie gewöhnlich ist es Kristin, die ihre Stimme zuerst wiederfindet. »Sie ist krank, Matt. Sie hat noch am Weihnachtsabend hohes Fieber bekommen und liegt seitdem im Bett. Sie isst kaum und trinkt nur das allernö...«
    Weiter lasse ich sie nicht sprechen. »Warum habt ihr mir denn nicht Bescheid gesagt?«
    Empört sehe ich zwischen Julies Eltern hin und her.
    Verdutzt erwidern sie meinen Blick. »Aber Matt, warum hätten wir das tun sollen?«, fragt Tom und bedeutet uns, ihm in die Küche zu folgen.
    Ich verstehe sofort. Anscheinend wissen Diane und Wilson noch nichts von den besonderen Ereignissen dieses Weihnachtsfestes.
    »Nach all dem, was an diesem Tag passiert war, und nachdem du selbst ausdrücklich eine Auszeit gefordert hattest, wollten wir dich nicht belästigen«, erklärt er mir leise, nachdem er die Tür hinter uns verschlossen hatte.
    Seine Logik hat etwas Zwingendes, und natürlich kann ich nachvollziehen, warum

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