Deine Seele in mir /
ihr schon für mich getan habt. Ich erinnere mich wirklich, Kristin. Sogar an meine Geburt.«
Amy lächelte und ließ sich ein paar Sekunden Zeit, bevor sie fortfuhr. Kristin und Tom hingen wie gebannt an ihren Lippen.
»Das Erste, was ich dachte, als ich dich sah, Kristin, war, dass du sehr hübsch bist. Und Tom, du hattest damals diese kleine runde Brille. Mit deinen hohen Wangenknochen und diesem Gestell auf der Nase hast du mich an John Lennon erinnert, nur eben in blond. Du hast mir über die Wange gestreichelt. Dein Finger war so riesengroß, doch deine Berührung war ganz sanft. Ihr habt mich angesehen, als wäre ich ein Weltwunder, und ich fühlte mich geborgen an deiner Brust, Kristin. Ich erinnere mich an all das noch genau. Bitte glaubt mir, dass ich euch wirklich sehr liebe. Niemals werde ich euch vergessen, dass ihr es Matt ermöglicht habt, Kontakt mit mir aufzunehmen. Ohne euch und eure Offenheit dem scheinbar Unmöglichen gegenüber hätte ich keine Chance gehabt, jemals wieder zurückzufinden.«
Liebevoll blickte sie zwischen den beiden hin und her. »Ich denke, dadurch, dass ich so viel Zeit in meiner Welt mit Matty verbracht habe, ist mir viel Schönes mit euch entgangen. Doch nun bin ich ja da. Jetzt habe ich Matt
und
euch, und ich will keinen von euch mehr missen. Jetzt haben wir viel Zeit. Wir können alles nachholen.« Mit diesen Worten legte Amy eine ihrer Hände auf Kristins und die andere auf Toms Hand. Es dauerte eine Weile, bis sie eine Reaktion erhielt.
»Es ist fast so, als wärst du jetzt gerade noch einmal geboren.« Tom lächelte schmerzlich. »Wir dürfen nichts überstürzen. Du brauchst Zeit, um viele Dinge aufzuarbeiten. Wir ... können uns nicht mal im Geringsten ausmalen, was du alles durchgemacht hast.«
Amy schwieg für einige Sekunden, dann drückte sie Kristins Hand. »Du hast mich zur Welt gebracht, ich könnte dich nie vergessen. Aber ... meine Mom, die schon lange damit leben muss, ihr einziges Kind verloren zu haben ...« Sie schluckte schwer bei dem Gedanken und musste sich kurz räuspern, um ihrer Stimme die nötige Stabilität wiederzugeben. »Meine Mom und meinen Dad kann ich auch nicht vergessen. Das versteht ihr doch, oder?«
Kristin nickte bedächtig. Der geballte Schmerz in ihrem Blick ließ uns wissen, dass Amys Botschaft zwar verständlich und wohl auch nicht unerwartet bei ihr angekommen war, sie jedoch nicht minder schwer getroffen hatte. Auch Tom senkte traurig seinen Blick und nickte schweigend vor sich hin. Es musste sehr hart für sie sein, was Amy ihnen gerade zu verstehen gegeben hatte.
Sie waren Tom und Kristin. Und andere, völlig unbekannte Menschen waren Mom und Dad. Schlagartig kam in mir die Frage auf, ob sie es bereuten, dass sich Amy ihnen so offenbart hatte. Oder vielleicht sogar, dass sie nun überhaupt in der Lage dazu war, das zu tun.
Es herrschte eine Weile Schweigen.
Lediglich das knisternde Kaminfeuer, welches unbeeindruckt vor sich hinflackerte, schien den Raum in diesen Minuten noch zu beseelen.
Vor meinem geistigen Auge entstand das Bild eines Kuckuckseies in einem fremden Nest. So mussten sich Kristin und Tom fühlen. Wie die treu sorgenden Vogeleltern, die plötzlich mit der niederschmetternden Erkenntnis konfrontiert wurden, ein fremdes Küken aufgezogen zu haben, welches sie um ihren eigentlichen Nachwuchs betrogen hatte.
Zumindest war ich mir sicher, dass ich mich an ihrer Stelle so gefühlt hätte. Umso stärker verwunderte mich die Reaktion, mit der Kristin die zermürbende Stille endlich durchbrach.
»Was auch immer geschieht, wir sind für dich da, Amy. Wir lieben dich, und für uns wirst du immer unser kleines Mädchen bleiben. Seit dem Tag deiner Geburt habe ich versucht, dich glücklich zu machen. Dich so lachen zu sehen wie in den letzten Tagen ist mehr, als Tom und ich uns je erträumt haben. Wenn du Fragen hast oder uns in irgendeiner Form brauchst, dann lass es uns wissen. Es gibt bestimmt auch sehr viele Fragen, die wir dir noch stellen werden. Ich hoffe, du hast die Geduld dafür.« Sie beendete ihren Monolog mit einem Lächeln.
»Ihr könnt mich fragen, was immer ihr wollt.« Amy, die die ganze Zeit schon mit ihren Tränen gekämpft hatte, schluchzte los.
In Kristins Armen weinte sie sich aus.
»War ich zu hart zu ihnen?«, fragt sie nun.
»Nein. Du warst ehrlich. Und das musstest du auch sein. Sie haben ein Recht darauf zu erfahren, wie es um dich steht. Ich finde, du warst sehr fair. Auch wenn die
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