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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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kann man nicht heilen, niemand kann das. Ich massiere sie, bis ihre Haut warm ist und sich die Knoten deutlich gelockert haben, doch dann breche ich ab. Etwas halbherzig, zugegeben, aber heute gibt es Wichtigeres.
    Heute gibt es Amy.
    Mein Herz macht einen Sprung, als mich dieser Gedanke streift.
    Mrs Jordan gibt sich mit meiner Behandlung zufrieden. Als ich meine Augen öffne, liegt sie seufzend unter mir.
    »Das war sehr gut. Ich wiederhole: Keinen Urlaub mehr für Sie, Mr Andrews.«
    Amy, die neben der Liege steht, verkneift sich ein Lachen. Stumm reicht sie mir eins der feuchten Tücher und trocknet Mrs Jordans Rücken mit einem Frotteetuch ab. Ich muss schmunzeln. Sie ist einmalig. Ihre Bewegungen wirken so sicher, fast schon routiniert. Wie oft sie dieses Prozedere bei mir wohl schon beobachtet hat?
    »Schon gut, Schätzchen, das reicht«, beschließt Mrs Jordan brüsk und reißt mich damit aus meinen Gedanken.
    Sie plappert ohne Punkt und Komma, während sie sich hinter dem Vorhang der Umkleidekabine anzieht.
    »Das war sehr gut«, wispere ich Amy zu.
    Sie lächelt. »Danke. Es war spannend, dir zuzusehen.«
    In den folgenden Stunden sind diese kurzen Momente mit ihr die Höhepunkte meines Tages. Amy beobachtet mich genau, als ich den älteren schmerzgeplagten Mann, der mir bereits auf dem Gang aufgefallen war, untersuche und behandele. Später sieht sie mir noch bei etlichen Massagen und einer Krankengymnastik zu. Der Vormittag zieht nur so an mir vorbei, bis Mary plötzlich in der Tür erscheint. »Matt, es ist zwar nicht gut, dass du nichts isst, aber deinen Dickkopf diesbezüglich kenne ich ja schon. Zumindest Amy sollte jedoch was essen, oder nicht?«
    Ja, wirklich, ich Idiot. Unter hastigem Nicken reiche ich Mary einen Geldschein.
    »Mary, hol doch bitte etwas zu essen. Was soll sie dir mitbringen, Amy?«
    Diese zögert. »Wenn es dir nichts ausmacht ... und dir auch nicht ...«, fragend schaut sie Mary an, »... dann würde ich gerne mitgehen.«
    Mit heruntergeklappter Kinnlade sehe ich sie an. »Wirklich? Ist das nicht noch zu früh?«
    Amy schüttelt energisch den Kopf, doch meine Zweifel lassen sich nicht so schnell wegwischen. »Fordere dein Glück nicht heraus, Amy. Bist du dir wirklich sicher?«
    »Ja, absolut.« Ihr Blick wird weich. »Hab keine Angst, Matty. Es geht mir wirklich gut.«
    »Na schön«, willige ich zögerlich ein, auch wenn ich mir absolut nicht sicher bin, das Richtige zu tun. Alles geht so rasant. Nachdem es monatelang keine nennenswerten Veränderungen an Amys Zustand gegeben hatte, scheinen sich die Ereignisse nun zu überschlagen.
    »Super«, freut sich Mary und strahlt erst mich und dann Amy an. »Eine Mädels-Mittagspause hatte ich noch nie. Komm, Amy! Direkt um die Ecke gibt es den besten Italiener des Landes.« Sie wartet, bis Amy ihre mittlerweile wieder trockene Jeans angezogen hat. Dann hakt sich Mary bei ihr unter und wirft mir noch eine Kusshand zu.
    »Nick hat vorne übernommen, wie immer. Lass die Abrechnungen einfach liegen, bis ich wieder zurück bin.«
    Amy strahlt über das ganze Gesicht. Schon schließt sich die Tür hinter den beiden.
    Die anderthalb Stunden, bis sie zurück sind, vergehen schleppend. Erst als Amy zwischen zwei Behandlungen zu mir ins Zimmer schlüpft, atme ich auf und entspanne mich wieder. Sie trägt nun einen weißen Kittel, auf den sie sehr stolz zu sein scheint.
    »Hi! Sieh mal, was Mary gefunden hat. Er ist etwas zu klein, aber fürs Erste wird es wohl gehen, oder?«
    »Fürs Erste?«, wiederhole ich lachend.
    »Ja. Ich dachte ... also, wenn ich dich nicht störe ... Vielleicht könnte ich öfter mitkommen? Alles hier ist so neu und so spannend. Mary ist unglaublich nett. Ich glaube, wir könnten Freundinnen werden.«
    Fröhlich brabbelt sie vor sich hin. Unbeschwert.
    Die starr geradeaus schauende Amy, die sich mit leerem Blick auf dem Fußboden hin- und herwiegt und nichts von ihrer Umwelt mitbekommt, ist in diesem Moment weit weg.
    Es ist fast unmöglich, sich vor Augen zu führen, dass dieses ferne Bild noch keinen Tag zurückliegt. Um wie viel schöner wird meine Welt werden, nun, da Amy wieder da ist. Die Freude meines Herzens steigt in mir auf und lässt meinen Kopf nicken.
    »Du kannst mitkommen. So oft du willst.«

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XII. Kapitel
    D ie folgenden Tage erscheinen uns allen wie eine einzige Aneinanderreihung vieler kleiner Wunder. Amy begleitet mich von nun an täglich in die Praxis und wird sehr bald schon zu einer echten

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