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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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einen Schlag lösen. Also ... dann solltest du zwei bis drei der Schmerzpatienten übernehmen und dann ... sehen wir weiter. Okay?«
    »Alles klar! Schick Mrs Jordan doch bitte in fünf Minuten zu mir rein«, erwidere ich noch knapp und wende mich dann lächelnd ab.
    »Matt?«, ruft Mary hinter mir. »Hast du nicht irgendetwas vergessen?« Sie sieht etwas enttäuscht aus.
    »Oh, ja.« Schnell gehe ich zurück und beuge mich über den großen Tresen. »Wir telefonieren heute Abend in Ruhe. Dann erzähle ich dir alles. Versprochen!«
    »Aber ...« Mit geneigtem Kopf sieht sie mich an, doch ich tippe mit dem Zeigefinger gegen meinen Mund und bedeute ihr, ruhig zu sein.
    »Pssst. ... Kein Aber!«, sage ich und lege zwinkernd ihren heiß ersehnten Schokoriegel auf den Tresen.
    Nun lächelt sie. »Ich habe dich vermisst.«
    Amy betritt den Behandlungsraum und sieht sich neugierig um.
    Ich öffne meinen Wandschrank und krame nach zwei weißen Hosen. »Hier. Da hinten kannst du dich umziehen.«
    Amy nimmt eine der Hosen und verschwindet hinter dem Vorhang.
    »Wie machen wir das jetzt bei den Behandlungen? Kann ich bei dir bleiben?«, fragt sie. Hinter der Tür des Schrankes schlüpfe ich aus meiner nassen Jeans und streife mir die andere Hose über.
    »Sicher. Ich werde sagen, dass du meine Assistentin bist. Du hast heute deinen ersten Tag und schaust mir zu, ganz einfach.«
    Mit einem Ruck zieht Amy den Vorhang zurück. »Ist das dein Ernst?«
    »Klar. Wir hatten schon mehrere Assistentinnen, die ...«
    »Matt, die Hose.«
    Jetzt erst klappe ich die Schranktür zu. Amy steht nur etwa zwei Meter vor mir und schaut an sich herab. Meine Hose wirkt wie ein weißer Sack, der um ihre Beine schlackert.
    »Gott, bist du winzig«, necke ich sie mit einem Grinsen.
    Sie streckt mir die Zunge heraus und zieht das Band enger.
    »Schlag die Hosenbeine um, dann geht es schon.«
    Ich lasse mir ihre Jeans geben und lege sie über die Heizung hinter meinem Schreibtisch. Sie wird bald trocken sein. Unter fließendem Wasser wärme ich meine Hände an, als die Tür neben dem Waschbecken auffliegt und Mrs Jordan hereinstolziert.
    Noch bevor man sie sehen kann,
höre
ich sie.
    »Oh, Mr Andrews, Sie haben ja keine Ahnung, wie glücklich ich bin, Sie wiederzusehen. Ihr Kollege kann Ihnen nicht das Wasser reichen, was die Massagen angeht. Ich bin so verspannt wie seit fünf Jahren nicht mehr. Diese Schmerzen bringen mich noch um. Versprechen Sie mir, dass Sie nie wieder Urlaub machen, und schon bin ich glücklich.«
    Das wage ich zu bezweifeln. Es gibt Personen, die notorisch unglücklich sind, und Mrs Jordan ist ein Paradebeispiel für diesen Menschenschlag. Ohne meine Aufforderung abzuwarten, reißt sie den Vorhang der Umkleidekabine zurück und lässt ihn offen stehen, während sie sich frei macht. Erst als sie aus der Kabine tritt, bemerkt sie Amys Anwesenheit. »Wer sind Sie denn?«
    Charmant wie immer.
    Mit nur einem Schritt stehe ich neben Amy. »Das ist meine neue Assistentin, Mrs Charles. Sie schaut mir heute zu, es ist ihr erster Tag. ... Bitte, legen Sie sich hin.«
    Während ich meine Ärmel hochkrempele, werfe ich Amy einen bedeutsamen Blick zu. Sie versteht und kommt noch näher an mich heran.
    Mrs Jordan ist wieder einmal in einen ihrer Monologe vertieft. Das Gesicht hat sie bereits über der Öffnung der Massageliege abgelegt, und so wage ich es, Amy etwas zuzuflüstern. »Ich werde in diesen ... anderen Bewusstseinszustand abtauchen, wenn ich sie massiere. Ihre Schmerzen sind schlimm, sonst würde ich das heute nicht tun. Wenn du mich brauchst, dann berühr mich. Ich werde dich sonst womöglich nicht hören.«
    Amy nickt und drückt kurz meine Hand. Was so viel bedeutet wie: Ich bin okay, es geht mir gut. Mach dir keine Sorgen!
    Ihre Botschaft ist klar und deutlich, auch wenn sie die Worte nicht ausspricht.
    Es fällt mir schwer, zu Mrs Jordans Innerstem zu finden. Nach gut fünf Jahren gibt es nichts, was ich nicht schon wüsste.
    Als einzige Tochter ehrgeiziger Geschäftsleute versuchte sie, Liebe und Anerkennung über herausragende Leistungen zu bekommen. Im Alter von zwölf Jahren wurde sie auf ein Mädcheninternat geschickt. Sie hatte nicht gerade eine umwerfende Kindheit, aber auch keine wirklich dramatische.
    Nein, Mrs Jordan fügt sich ihr Leid selbst zu. Sie ist wie die Frau des Fischers, die in dem berühmten Märchen immer mehr und mehr will. Ohne die Gabe, jemals mit dem zufrieden zu sein, was sie hat. Diese Personen

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