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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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eines Kindes wahrzunehmen scheint, kommt nicht von ungefähr. Das muss auch ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufen.
    Ich weiß nicht, ob dieser Sternenhimmel eine weitere Premiere für sie darstellt.
    Sie lässt sich von mir führen, stapft an meiner Hand durch den Sand und weigert sich, dem Ozean, der sie vorhin noch so faszinierte, ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
    »Kennst du dich mit den Sternbildern aus?«, frage ich nach einer Weile, doch sie muss passen.
    »Nö, ich weiß bloß einige Namen. Großer Wagen, kleiner Wagen und so weiter. Aber wie die wirklich aussehen und wo sie sich befinden, davon habe ich keine Ahnung.«
    »Komm her, ich zeig sie dir.« Mitten im Satz lasse ich mich fallen und ziehe Amy mit mir in den Sand, was ihr ein Quietschen entlockt. Kichernd schmiegt sie sich an meine Brust.
    Ich schließe beide Arme um sie und drücke sie an mich. Es tut so gut, das tun zu können; es wird wohl niemals selbstverständlich werden.
    »Der da oben, der helle da, siehst du ihn? Das ist der Nordstern«, beginne ich. Amy zieht meine geöffnete Jacke über ihre Schultern, kuschelt sich noch enger an mich heran und folgt meinem Zeigefinger, der in der salzigen Nachtluft die Sternbilder nachzeichnet.
    Ich erzähle ihr einige Geschichten zu den Formationen der Sterne, weil auch mir das damals geholfen hat. Ohne Hintergrund ist es schwer, sich die Bilder einzuprägen.
    »Die Indianer sahen in dem Kasten des Wagens einen Bären. Die Deichselsterne deuteten sie als Jungbären, die ihrer Mutter folgen, oder aber als Jäger. Über die Deutung dieses Sternbildes sollen sogar erbitterte Kriege geführt worden sein, kannst du dir das vorstellen? Kriege wegen unterschiedlicher Ansichten über eine Sternenanordnung. Verrückt, oder?«
    Ich blicke hinab; Amy lächelt. »Was?«, frage ich.
    »Ich fühle mich in die Abendstunden meiner Kindheit zurückversetzt, als mein Vater noch zu mir ans Bett kam und mir Geschichten erzählte«, gesteht sie.
    »Es war auch mein Dad, der mir diese Geschichten erzählt hat«, erwidere ich leise. Amy nickt. Ihr Blick gleitet zu ihrem Schoß, auf unsere verschränkten Hände.
    »Du bist ihm so ähnlich. Deinem Dad, meine ich. Er war ein großartiger Mann.« Zärtlich drückt sie meine Hand, dann setzt sie sich auf. »Also sind der große Wagen und der große Bär dasselbe Sternbild?«
    »Ja, genau.« Dankbar über den schnellen Themenwechsel, hole ich gern noch weiter aus. »Und die Römer meinten, diese Sterne wären Ochsen, die um den Himmelspol wanderten und ihn beschützten. Immer wieder wurden dieselben sieben Sterne anders gedeutet. Immer wieder
diese sieben
aus all den …«
    »Hey! Hast du die gesehen?« Als hätte sie etwas gestochen, springt Amy auf und zeigt in den Himmel.
    »Ja. Hat richtig gezischt, hm?«
    Eine Sternschnuppe hatte das Schwarz des Firmaments kurz angeritzt.
    »Wünsch dir was«, ruft Amy und schließt im selben Augenblick schon die Augen für einen Wunsch.
    »Hast du?«, fragt sie nach wenigen Sekunden.
    »Ja, aber ich verrate dir nicht, was. Sonst erfüllt es sich nicht.«
    Amy streckt wie eine Fünfjährige ihre Zunge heraus; dann lacht sie mit mir. »Also los, gehen wir etwas essen!«
    Sie hilft mir hoch und klopft den klammen Sand von meinem Hosenboden – deutlich euphorischer als eigentlich nötig.
    »Hey, was machst du denn?« Als ich ihre Handgelenke zu fassen bekomme, umschließe ich sie schnell.
    »Man muss die Chancen nutzen, die sich einem bieten«, erwidert Amy frech. Mit einem Ruck reißt sie sich los und läuft davon.
    Eine klare Herausforderung, der ich mich nicht entziehen kann. Männerstolz, sie hat schon recht …
    Unsere Füße versinken im Sand, was das Laufen erschwert. Ein paar Mal stolpern wir, schaffen es aber immer wieder, uns mit den Händen abzufangen. Ich bin zwar wesentlich schneller als Amy, doch das hilft mir nicht im Geringsten, denn sie ist wendiger als ich. Wie ein Kaninchen schlägt sie spitze Haken und windet sich jedes Mal unter meinen ausgestreckten Armen hindurch, kurz bevor ich sie zu fassen kriege.
    Amy juchzt und quietscht. Jedes ihrer Ausweichmanöver quittiert sie mit einer Grimasse. In diesem Moment ist sie das Mädchen aus meiner Kindheit – meine beste Freundin.
    Da sie sich nicht so einfach fangen lässt, ändere ich meine Taktik.
    Langsam, aber sicher dränge ich Amy der Brandung entgegen. Als ich sie endlich dicht genug am Wasser habe, baue ich mich breitbeinig vor ihr auf.
    Sie steckt in der Falle, und das

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