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Deine Spuren im Sand

Deine Spuren im Sand

Titel: Deine Spuren im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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nickte, goss den Sekt ein, der sich als Champagner entpuppte, und setzte sich zu mir. »Du solltest wissen, dass ich dich erkannt habe.«
    »Hast du damit gerechnet, dass ich nach Sylt komme?«
    Maik hob die Schultern, verzog das Gesicht und ließ sie wieder fallen. »Sicher war ich mir nicht. Ich konnte mir vorstellen, dass es auf Sylt etwas gab, was dir Geborgenheit versprach. Aber genauso gut wusste ich, warum du nach der Beerdigung deines Vaters gesagt hast: ›Ich werde die Insel nie wieder betreten.‹«
    Wir prosteten uns zu, tranken langsam, sahen uns an, als dächten wir über unsere nächsten Worte nach, und wollten doch nur sehen, was geblieben war und was sich verändert hatte.
    »Nachdem ich die Talkshow gesehen hatte«, sagte Maik leise, »wusste ich, dass etwas passieren würde. Etwas, das alles anders macht.«
    Ich nippte an meinem Glas, dann nahm ich einen großen Schluck. »Ich werde gejagt«, sagte ich. »Die Presse ist dahintergekommen, dass ich auf Sylt bin. Ich kann nicht in mein Hotel zurück.« Und dann, nachdem ich beobachtet hatte, wie etwas in Maiks Augen stieg, was sowohl Hoffnung als auch Angst sein konnte: »Darf ich bei dir bleiben?«
    Berno stand im Küchenhof der Wattrose und sah zu den Fenstern in der ersten Etage hinauf. Als er die Ungeduld nicht mehr ertragen hatte, war er einfach über das Tor geklettert, um etwas von dem zu sehen, was sich in den Räumen über der Wattrose abspielte. Aber sogar, als er auf die Mauer geklettert war, die das Grundstück des Restaurants vom nächsten trennte, hatte er nicht in die Fenster blicken können. Er wusste, dass Emily dort oben war, aber er wusste nicht, warum, und vor allem nicht, mit wem. Emily hatte keine Verwandte auf Sylt, soviel war ihm klar. Warum also suchte sie ausgerechnet in der Wattrose Zuflucht? Plötzlich erinnerte er sich dunkel, dass sie einmal von einem Mann gesprochen hatte, mit dem sie so gut wie verlobt gewesen war. War dieser Mann etwa der Wirt der Wattrose ? Und wollte sie sich ausgerechnet bei ihm verstecken?
    Die Eifersucht machte Berno blind, vergesslich und größenwahnsinnig. Blind war er mit einem Mal für alle Gefahren, er vergaß, dass er Höhenangst hatte, und glaubte daran, dass etwas, was alle Anstreicher und Maurer dieser Welt konnten, auch Berno Kaiser gelingen musste. Sogar bei Dunkelheit! Und war es nicht ein Wink des Himmels, dass eine Leiter an der Hauswand stand, die er nur ein paar Meter nach links rücken musste, damit sie sich ans Balkongeländer lehnte? Auf eine Leiter steigen! Das war doch eine Kleinigkeit!
    Berno schaute strikt nach oben, während er eine Sprosse nach der anderen unter sich ließ. Und den Gedanken, dass er weder zum Anstreicher noch zum Maurer geboren war, wies er weit von sich. Auch dass er als kleiner Junge beim Äpfelklauen immer nur Schmiere gestanden hatte, weil er sich nicht auf eine Leiter traute, verdrängte er erfolgreich. Er war jetzt ein Mann! Und für einen richtigen Mann war eine Leiter kein wirkliches Hindernis! Vor allem, wenn sie nicht höher als in die erste Etage führte.
    Als er seine Nase auf den Terracotta-Belag des Balkons schob, beschloss er, keinen anderen Gedanken zuzulassen, als den, dass der Balkon mal wieder gewischt werden könnte. Und als er sich am Geländer hochzog und ein Bein darüber schwang, redete er sich erfolgreich ein, dass die paar Meter unter ihm nichts zu bedeuten hatten. Besonders sportlich war er zwar nicht, aber für einen kräftigen Mann von Anfang vierzig war das Überwinden eines Balkongitters eine Lappalie! So was machte er mit links! Das einzige Problem war in diesem Fall, dass er dabei nicht beobachtet werden durfte. Vor allem nicht von demjenigen, dem dieser Balkon gehörte.
    Dass er nicht mit einem federnden Sprung auf den Terracotta-Fliesen landete, sondern auf sie herabplumpste, lag natürlich nur daran, dass ein Blumentopf im Wege gestanden und seiner Dynamik den Schwung genommen hatte. Also war auch dieser hässliche Topf schuld daran, dass Berno gezwungen war, schleunigst hinter einem Fensterladen Schutz zu suchen, für den Fall, dass jemand hinter der Balkontür aufmerksam geworden war. War es da ein Wunder, dass seine Bewegungen nicht besonders geschmeidig, sondern derart hektisch waren, dass er mit dem rechten Arm die Spitze der Leiter touchierte? Dass sie daraufhin zurückkippte und ein hässliches Geräusch verursachte, als sie auf einem Müllcontainer aufprallte, war natürlich ebenfalls nicht seine Schuld. Im

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