Deine Spuren im Sand
wenn alles schlief, wenn er niemanden auf sich aufmerksam machte, der ihn hindern oder sich über ihn lustig machen würde. Sollte er sich den Hals brechen, durfte Emily ihn erst dann finden, wenn er seinen Leiden erlegen war und nicht mehr um Hilfe winselte, dann, wenn ihr nichts anderes blieb, als sich verzweifelt über ihn zu werfen und zu bereuen, dass sie ihn abgewiesen hatte. Vielleicht würde sie dann wieder daran glauben können, dass er sie liebte und dass er sie niemals verraten hatte. Schade zwar, dass er dafür sterben musste, aber dennoch tat Berno der Gedanke, für Emily post mortem zum Helden zu werden, so gut, dass er hinter dem Fensterladen hocken blieb und geduldig abwartete. Er hielt sich nicht einmal die Ohren zu, als er Emily verliebt lachen hörte, und knirschte nur ganz leise mit den Zähnen, als eine männliche Stimme tief aufseufzte. Es hatte ja keinen Sinn, sich mit dem seelischen Schmerz abzuquälen, er musste sich auf den körperlichen vorbereiten, der ihn erwartete. Ob er es schaffte, sich ohne markerschütternden Schrei ins Ungewisse zu stürzen? Und ob es ihm gelingen würde, nicht mehr als ein verzweifeltes Wimmern von sich zu geben, wenn er mit zerschmetterten Gliedern im Küchenhof lag? Was immer er tat, es durfte erst geschehen, wenn Emily schlief. Schließlich gab es ja noch die winzige Hoffnung, dass er mit geringen Verletzungen den Sprung überstehen und sich ungesehen davonmachen konnte …
Berno hörte, dass sich hinter der Balkontür etwas bewegte, dann wurde das Licht gelöscht. Aber nur wenige Augenblicke später flammte es hinter einem Fenster auf, das neben dem Wohnzimmer lag. Berno machte sich keine Illusionen. Das konnte nur das Schlafzimmer sein! Jetzt war es an ihm zu beweisen, welche Opfer er für Emily zu bringen bereit war. Nie hatte es einen selbstloseren Mann gegeben als Berno Kaiser! Er würde die Geliebte ihr Glück genießen lassen, ehe er sein Schicksal vollendete. Ein wahrer Held! Hatte er das nicht bereits bewiesen, als er auf einer wackligen Leiter in die erste Etage gestiegen war? Unter sich die gähnende Tiefe des Küchenhofs, über sich nichts als der tiefblaue Nachthimmel von Sylt!
Berno spürte, dass er von der Einsamkeit ausgefüllt wurde, die einer heldenhaften Entscheidung voranging. Wie würde Emily reagieren, wenn sie erfuhr, dass sie sich ihrer Lust hingegeben hatte, während er den todesmutigen und vielleicht sogar verhängnisvollen Entschluss fasste, sich in die Tiefe eines Küchenhofs zu stürzen? Ob sie dann endlich einsah, dass es keinen Mann gab, der sie mehr liebte als Berno Kaiser? Und ob sie dann erkannte, wie sehr sie ihm Unrecht getan hatte? Schade nur, dass er das nicht mehr miterleben durfte …
Der Gedanke, dass dieses Bett mal ein Ehebett gewesen war, behagte mir nicht, aber es gelang mir, ihn zu verdrängen. Was blieb mir anderes übrig? So wie Maik damit leben musste, dass er mit mir keinen Strandspaziergang machen konnte, ohne dass zwanzig Fotografen hinter uns herliefen, musste ich mich damit abfinden, dass das Leben weitergegangen war und eine andere Frau meinen Platz eingenommen hatte. Zumindest vorübergehend! Bei nächster Gelegenheit würde ich einfach dieses Ehebett rauswerfen und ein breites Wasserbett für uns kaufen.
Ich schmiegte mich an Maik. »Jetzt bin ich endlich da, wo ich immer hin wollte. Schade um den weiten Umweg, den ich gemacht habe! Aber Hauptsache, ich bin angekommen!«
Maik schob mich von sich und sah mich erstaunt an. »Du meinst … die Wattrose ?«
»Und dich! Die Fischsuppe kann ich übrigens noch genauso gut wie früher.«
»Du willst für meine Gäste kochen?«
»Natürlich! Davon haben wir doch immer geträumt. Wir wollten die Wattrose gemeinsam führen!«
»Du in meiner Küche? Man wird uns die Bude einrennen. Es wird einen Ansturm geben, dem unsere Küche nicht gewachsen ist.«
»Nur anfangs! Bald werden sich alle daran gewöhnt haben.«
»Aber deine Karriere!«
Ich verkroch mich unter der Bettdecke, als wollte ich nach ihr suchen, doch was ich dort fand, war tausendmal besser als meine Karriere. »Ich will sie nicht mehr«, sagte ich, als ich wieder auftauchte und Maik sich von meiner Suche erholt hatte. »Ich will endlich leben! Nicht ständig von Reportern belagert werden. Und mich nicht von lästigen Fans bedrängen lassen! Leben wie normale Leute!«
»Aber dein Talent«, wandte Maik ein, und es klang, als spräche er von meiner Mitgift. »Deine wunderbare Stimme …«
Ich
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