Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
sie Gedanken lesen könnte. „Ich weiss was Sie denken, Frau Kaufmann: es ist eine seltsame Schwester, die so gar kein Interesse am Tod ihres Bruders zeigt. Ich kann nur noch einmal betonen, was ich schon mit anderen Worten gesagt habe: wir waren Fremde, oder vielleicht eher entfernte Bekannte. Es tut mir Leid, dass er gewaltsam gestorben ist, ob durch seine eigene Hand oder durch einen Mord, aber sein Tod löst wenig Emotionen aus. Es ist traurig, ja, aber nicht trauriger als das, was jeden Tag in der Zeitung steht.“ Sie wandte sich an Peter. „On y va, Monsieur Pfister?“
*
Ein ausgedehnter Lunch ist das, dachte Nick hungrig, als um zwei Uhr immer noch niemand zur Wohnung herausgekommen war; weder hatte der Cayenne die Garage verlassen noch der Smart seinen Besucherparkplatz. Um genau neun Minuten nach zwei ging die Haustüre auf. Eine grossgewachsene Frau in einem dunklen Wintermantel ging mit raschen Schritten auf den Smart zu. Sie hatte den Kragen hochgeschlagen, aber die bekannten rotbraunen Locken waren nicht zu übersehen, und auch das Markenzeichen von Monika Brugger, die feuerroten Lippen, blitzten auf, als sie die Wagentür öffnete.
Nick war etwas zu weit weg, aber er drückte trotzdem mehrmals auf den Auslöser seiner Kamera und hoffte auf einigermassen scharfe Bilder. Er versuchte, hinter den Büschen etwas näher zu kommen, als das Tor der Tiefgarage sich öffnete und der Porsche Cayenne langsam herausfuhr. Monika Brugger schloss die Tür ihres Wagens nochmals und ging zum offenen Fahrerfenster des Geländewagens. Mit einem innigen Kuss verabschiedeten sich die beiden, Nick drückte wieder auf den Auslöser, und wieder, und nochmals.
Gestern, als er die Observation startete, wusste er nicht so genau, was er suchte – jetzt hatte er etwas gefunden, das seine Vorstellungen bei weitem übertraf. Steff Schwager, dachte er, du wirst mir die Füsse küssen.
*
„Sind Sie der Herr Pfister, der heute Morgen zu Besuch war bei Kurt Fritschi? Hier spricht Claudia Zehnder vom Kantonsspital Aarau, ich bin die Stationsschwester.“
„Grüezi, Schwester. Ja, ich bin Peter Pfister. Wie kann ich Ihnen helfen? Geht es Kurt nicht gut?“
„Nein, Herr Fritschi hat so starke Schmerzen, dass wir ihn jetzt sedieren müssen. Er ist kaum noch bei Bewusstsein, oder nur mit Unterbrüchen, und wir können ausser der engsten Familie keine Besucher mehr zu ihm lassen. Er hat mich aber gebeten, Sie anzurufen und eine Nachricht zu hinterlassen. Ich habe sie genau aufgeschrieben, warten Sie.“ Papier raschelte. „Er sagte, Sie sollen auf dem Kirchberg suchen. 'Sucht auf dem Kirchberg', genau das waren seine Worte. Können Sie etwas anfangen damit?“
„Im Moment nicht, Schwester Claudia, aber ich notiere es mir. Vielen Dank, dass Sie angerufen haben.“
„Gerne geschehen, Herr Pfister. Man sagt übrigens heute nicht mehr Schwester Claudia, sondern Frau Zehnder. Auf Wiederhören, Herr Pfister.“
„Auf Wiederhören, Schwester – äh, Frau Zehnder.“
Peter hatte Madame Buchmann am späten Nachmittag wieder ins Hotel gebracht und war eben ins Büro zurückgekehrt, als der Anruf kam. Er nahm eine gelbe Karte aus dem Moderatorenkoffer, schrieb mit dickem Filzstift 'Sucht auf dem Kirchberg' drauf und klebte das Papier an die Pinnwand. Er glaubte zu wissen, dass dieser Hinweis etwas mit dem Geheimnis der drei Männer zu tun hatte, aber wo war der Zusammenhang? Auf dem Kirchberg stand die Kirche von Küttigen und darum herum lag der Friedhof, mit einem schönen alten Baumbestand. Was sollte man suchen dort oben? Er musste mit Angela und Gody darüber sprechen, und am liebsten mit Nick, aber der war wie man hörte noch immer persona non grata.
Peter setzte sich an den Schreibtisch und begann damit, seinen Bericht über den Nachmittag mit Madame Buchmann in den Computer zu tippen. Viel gab es nicht zu sagen: er hatte sie zum Bestattungsunternehmer begleitet und mit ihr alle Formalitäten erledigt, auch die Kündigung der Wohnung. Die Beerdigung von Gion Matossi konnte innerhalb von wenigen Tagen stattfinden, aber im Moment hatte die Rechtsmedizin ihn noch nicht freigegeben. Erst wenn entweder der Mörder gefasst oder die Selbstmordtheorie bestätigt war, durfte die Schwester ihren Bruder beerdigen.
In der Wohnung hatte sie sich umgeschaut und in ein paar alten Fotoalben geblättert, aber auch hier hatte sie wenig Emotionen gezeigt. Peter teilte ihr mit, dass sie die Wohnung räumen könne, aber vermutlich erst in
Weitere Kostenlose Bücher