Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
hieb- und stichfesten Alibi für den Mord an Gion Matossi: eine zweitägige Klausur der Kantonalpartei in Braunwald, geleitet von Adrian Toggenburger.
Nach einer halben Stunde an der frischen Luft wusste Nick, was er seinem Chef erzählen würde und was nicht: im Prinzip die Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit. Was er in Dulliken gesehen hatte, würde er für sich behalten.
*
Angela Kaufmann machte sich keine grossen Hoffnungen, schliesslich hatten sie die Wohnung von Gion Matossi bereits systematisch durchsucht. Sie sah aber, dass Edith Buchmann ganz anders vorging als die Polizei: sie suchte überall dort, wo man einen Gegenstand von der Grösse eines Schlüssels in der Menge von anderen Gegenständen übersehen konnte. Ihr erstes Ziel waren die Besteckschubladen, dann kam der Spiegelschrank im Bad dran, der Verbandskasten, der Nähkorb. Sie schüttelte den Kopf. „Gion war ein Bastler, aber ich sehe nirgends Werkzeug. Er muss ein Kellerabteil haben, das gehört doch in der Schweiz zu jeder Mietwohnung.“
„Ja, das hatte er, aber da sind wirklich nur Werkzeuge, angebrauchte Farbtöpfe, leere Kartonkisten. Der Schlüssel hängt hinter der Küchentüre.“
Angela begleitete die Schwester ins zweite Untergeschoss zum Keller, der mit Holzrosten in etwa drei Quadratmeter grosse Räume unterteilt war. In den meisten herrschte das nackte Chaos, nur in wenigen waren die Dinge ordentlich untergebracht.
Gion Matossi hatte auf einer Seite ein Kellerregal aus rohem Holz aufgestellt; gegenüber war eine Pavatexplatte mit Haken, an denen Zangen, Scheren, Schraubenzieher, Pinsel und viele andere Werkzeuge hingen. An der dritten Wand stand ein Weingestell mit etwa drei Dutzend Flaschen.
Edith Buchmann konzentrierte sich auf das Regal, auf dem wie in einem Verkaufsladen für Kinder kleine Schubladenmöbel standen, die sorgfältig angeschrieben waren. In mindestens zwanzig Schubladen lagerten Polsternägel und Bilderhaken, dünne und dicke Schrauben, Dübel, Elektroklemmen, alles fein säuberlich geordnet. Nach wenigen Minuten hatte sie den gesuchten Gegenstand zwischen einer Anzahl von unterschiedlichen Inbusschlüsseln gefunden und hielt ihn hoch. „Er ist sogar angeschrieben, 'Safe EGK' steht auf dem Anhänger“, sagte sie. „Mein Bruder war schon als Junge ein sehr ordentlicher Mensch; er hielt es nicht aus, wenn die Dinge nicht zusammenpassten oder die Löffel nicht in die gleiche Richtung schauten.“
Angela nickte anerkennend und gab zu, dass sie und ihre Kollegen wohl nicht gründlich genug gewesen waren. „Ich bin sehr froh, dass Sie uns helfen, Frau Buchmann. Ohne Sie hätten wir wohl noch lange gesucht.“
Die Frauen schlossen den Keller wieder ab und fuhren mit dem Lift nach oben. Während Angela mit Peter telefonierte, ging die Schwester langsam durch die Räume der Wohnung und machte sich ein Bild von dem, was durch das Testament nun in ihrem Besitz war. Nur wenig gefiel ihr; sie würde ausser ein paar Bildern und den persönlichen Unterlagen wohl alles verkaufen oder verschenken.
„Wir können heute leider nicht mehr in die Bank, Frau Buchmann, sie schliesst in einer Viertelstunde. Sie wissen ja, von Kundendienst hält man dort nicht viel.“ Angela erklärte, dass sie aber vermutlich nicht bis Montag warten müssten, sondern gleich morgen früh das Schliessfach öffnen könnten. „Das wird noch bestätigt, in einer halben Stunde wissen wir, ob es klappt. Könnten Sie noch eine Nacht bleiben?“
„Ungern, aber es bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Und sonst komme ich nächste Woche wieder.“
„Das wird hoffentlich nicht nötig sein, wir können das sicher morgen erledigen. Ich muss jetzt zu einer Teambesprechung, kann ich Sie vorher ins Hotel fahren?“
Aber Edith Buchmann wollte noch eine Weile in der Wohnung ihres Bruders bleiben und sich erinnern. Später würde sie zu Fuss zurück zum Hotel gehen.
*
Das Team brauchte fast drei Stunden, um alle neuen Fakten und Informationen zu sammeln und zu ordnen. Alle freuten sich, dass Nick Baumgarten wieder dabei war; ohne ihn hatte der Ankerpunkt der Ermittlungen gefehlt, oder die Spinne im Netz, wie Peter halb sarkastisch anmerkte. Angela schob den Gedanken beiseite, dass mit ihrem Chef irgendetwas immer noch nicht in Ordnung war; Hauptsache, er war wieder präsent und koordinierte ihre Bemühungen um die Lösung des Falls. Seine Ausführungen brachten allen wieder ins Bewusstsein, dass sie in der Frage Mord oder Selbstmord nach wie vor
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