Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
zwei Umschläge in die Höhe und legte sie wieder hin, dann nahm sie den Ohrschmuck und ging zurück zum Tisch.
„Ich glaube, dass Sie beide dieses hübsche Schmuckstück schon einmal gesehen haben, vor langer, langer Zeit.“ Sie liess es vor den Augen der beiden hin und her pendeln. „Aber ich nehme es jetzt wieder mit und versuche mir vorzustellen, welche Märchen Sie mir darüber erzählen werden. Die Briefe sind übrigens an Sie adressiert, in Gion Matossis Handschrift. Er hat an Sie gedacht in seinen letzten Instruktionen, kein Zweifel. Aber wir wissen natürlich nicht, was darin steht, wir machen keine fremde Post auf. Hier, lesen Sie sie in aller Ruhe. Peter, kommst du?“
*
Nick klopfte seinen beiden Mitarbeitern anerkennend auf die Schultern. „Toll macht ihr das, das läuft ja ganz wunderbar. Ihr braucht mich gar nicht.“ Zu dritt schauten sie durch die Scheibe. Maja Studer hatte den Umschlag vor sich auf dem Tisch, rührte ihn aber nicht an. Paul Hintermeister drehte und wendete den Brief, liess sich aber von der Frau leiten und legte ihn wieder ab. „Es ist besser, wenn wir sie jetzt trennen“, sagte Nick, „wir kommen schneller zum Ziel. Peter, du übernimmst Hintermeister, ich widme mich Frau Studer. Angela, du bleibst hier und schaust uns beiden zu. Wenn es im einen Raum einen Durchbruch gibt, informierst du den anderen.“ Peter und Nick justierten die Funkempfänger im Ohr, Angela setzte das Sprechgerät auf. „Alles klar? Dann los.“
*
„Pfister, du musst mir glauben, ich habe mit dem Tod von Matossi nichts zu tun. Ich hoffte, mit seinen Unterlagen Toggenburger zu erpressen, aber daraus kann man mir doch keinen Strick drehen, oder? Der Einbruch war Majas Idee, ich hätte das nie gemacht, glaub mir.“
„Tatsache ist leider“, sagte Peter Pfister und schüttelte bedauernd den Kopf, „dass der Laptop in deinem Büro gefunden wurde, und dass du ein Komplize bist in diesem Diebstahl. Trotzdem, wir werden sehen, was sich machen lässt. Am besten ist es, wenn du ab jetzt die Wahrheit sagst, statt Ausflüchte zu suchen.“ Peter wies auf den Umschlag. „Willst du den Brief nicht öffnen? Ich jedenfalls wäre neugierig.“
Als ob er endlich die Erlaubnis von höherer Stelle erhalten habe, nahm Paul den Umschlag und riss ihn mit dem Zeigefinger auf. Er entfaltete das Briefpapier und las; Peter konnte sehen, dass es nur drei oder vier Zeilen waren. „Und, hat er dir doch noch eine Million hinterlassen?“ scherzte er. Wortlos schob Hintermeister den Brief hinüber zu Peter und schlug die Hände vors Gesicht. Ein Schluchzen war zu hören, als Peter den Text laut vorlas.
'Lieber Paul
Wenn du diesen Brief erhältst, weiss die Polizei schon über damals Bescheid, oder sie ist auf gutem Weg dazu. Alles ist verjährt, du wirst nicht mehr bestraft werden, aber vielleicht tut es dir gut, ein Geständnis abzulegen.
Gion Matossi'
Peter legte den Brief zur Seite und wartete schweigend. Ein Wimmern war zu hören, Paul hatte den Kopf auf die Arme gelegt und zitterte. Peter hörte Angelas Stimme in seinem Ohr. „Er wird gleich reden. Lass ihm Zeit.“ Peter nickte, und in diesem Augenblick hob Paul Hintermeister den Kopf.
„Wir haben sie nicht umgebracht, sie war schon tot. Wir haben nur ihre Leiche beseitigt.“
*
„Herr Baumgarten, das ist alles nur Spekulation, seit einer Stunde bluffen Sie mir etwas vor. Es gibt nichts, was mich mit dem Tod meines Exmannes in Verbindung bringen würde, gar nichts. Sobald mein Anwalt erscheint, werde ich als freie Frau diesen Raum verlassen.“
Nick fühlte deutlich, dass Maja Studer log, aber bisher hatte er wirklich nichts in der Hand gegen sie. „Wollen Sie nicht wenigstens den Umschlag öffnen und den Brief lesen, den Ihnen Gion Matossi hinterlassen hat?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht in Ihrer Anwesenheit und unter den Augen einer Kamera. Ich werde den Brief öffnen, wenn ich wieder ganz allein bin.“
Sie schien sich zurückzuziehen, immer weiter, und Nick überlegte fieberhaft, wie er sie aus der Reserve locken konnte. Es musste doch irgendeinen Ansatzpunkt geben, jeder hatte eine Schwachstelle. Wenn er sie nicht bald fand, musste er Maja Studer gehen lassen.
Aber seine Mitarbeiter liessen ihren Chef nicht im Stich, denn in diesem Moment ertönte eine männliche Stimme aus dem Lautsprecher. „Nick, wir haben das Passwort geknackt. Es gibt einen Ordner mit dem Namen 'Testament und Briefe', und einen mit dem Namen 'Patrizia Obrist'.
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