Deine Stimme in meinem Kopf - Roman
hauptsächlich Menschen, die mit metaphorischen Ohrfeigen zu allen möglichen Tageszeiten dafür sorgen, dass ich bei Bewusstsein bleibe. Da ist Teeter mit ihren pinkfarbenen Haaren, den grünen Augen und ihrem Kult rund um den Teenie-Abenteuerfilm
Die Goonies
. Sie steht auf der Feuerleiter und zitiert aus ihm, als wäre es ein Skakespeare’scher Monolog: »Begreifst du? Wenn du das nächste Mal den Himmel siehst, dann wird es über einer anderen Stadt sein. Wenn du das nächste Mal einen Test machst, wird es an einer anderen Schule sein. Unsere Eltern wollen nur das Richtige für uns tun. Aber im Moment müssen sie tun, was für sie
selbst
richtig ist. Weil es ihre Zeit ist. Ihre Zeit! Dort oben! Hier unten ist unsere Zeit. Und alles ist vorbei in der Sekunde, in der wir in die Kiste springen!«
Sie ist so verrückt nach diesem Film, dass sie später nach Oregon zieht, in die Stadt, in der er gedreht wurde. Im Moment aber wohnt sie noch neben mir. Über unsere gemeinsame Feuerleiter können wir uns gegenseitig ins Schlafzimmer klettern. In New York schafft eine gemeinsame Feuerleiter mehr Nähe als ein gemeinsamer Orgasmus.
Zu meinen anderen Freundinnen gehört Bianca, eine bildhübsche Chilenin aus Queens, die auf Run-D.M.C. und die Ramones steht. Sie kauft zwanghaft Babyklamotten. (Zehn Jahre später, nach x Fehlgeburten, bekommt sie endlich ihr erstes Kind. Dem kauft sie natürlich komplett neue Sachen.)
Angela hat eine Abneigung gegen Leute, die nicht
metal
genug sind und Mötley-Crüe-Shirts nur deshalb tragen, weil sie cool sein wollen, und nicht, weil ihnen Mötley Crüe etwas bedeutet.
Shannon ist ganzheitliche Chiropraktikerin, die ihre energetischen Behandlungen auch durchführen kann, wenn man nebenher einen Mojito trinkt und
Us Weekly
liest.
Sarah Bennett, aka SB , hat eine Frida-Kahlo-Puppe auf ihrem Sofa sitzen und ein Foto der Schriftstellerin und Fotografin Eudora Welty über ihrem Bett hängen. SB und ich sind sehr unterschiedlich. Das beste Beispiel, das mir dazu einfällt, sind unsere unterschiedlichen Reaktionen, als wir damals bei Whole Foods im Gang mit den Eiscremes waren und
Rhythm is a Dancer
aus der Musikberieselungsanlage kam. SB ließ ihre Einkäufe fallen und rannte peinlich berührt aus dem Geschäft, ich blieb und begann zu tanzen. Einmal, in einer öffentlichen Toilette, entdeckte ich einen Stinker
auf
der Klobrille! Ich schrie wie am Spieß und wurde halb ohnmächtig, und die arme SB musste mich förmlich nach Hause schleppen.
Peter wohnt nebenan. Er ist Skateboard-Fotograf. Er kommt immer rüber, wenn es etwas zu töten gibt. Was genau dieses Etwas ist, kann ich nicht sagen – sobald ich kleine Tierchen in den Stapeln alter Zeitungen, die praktisch in meinem ganzen Apartment herumliegen, rascheln höre, renne ich zu ihm und läute Sturm.
Karen ist eine alte Freundin von Bad Boyfriend aus Kindertagen, und da er sie nicht mehr haben will, habe ich sie übernommen. Sie ist intelligent und nett und lustig und sehr, sehr hilfsbedürftig, aber niemand will etwas von ihr wissen, selbst ihre eigene Familie nicht, und das bricht mir fast mein verdammtes Herz.
Etliche von Mums Mitbewohnerinnen vom College leben in New York. Ich habe die bereits erwähnte Familie. Ich habe also viele Anlaufstellen. Doch wenn ich meine Familie dann mal besuche, rede ich kaum und entschuldige mich nach einer Weile, weil ich mich kurz hinlegen muss.
Ich gehe oft ins Century 21, den Discount-Klamottenladen im World Trade Center, weil er schon morgens um sieben Uhr aufmacht und ich die vielen Stunden des Tages irgendwie totschlagen muss. Ich lasse mich von Raum zu Raum treiben und frage vor den Umkleidekabinen andere Frauen nach ihrer Meinung. Ich kaufe Sachen, zum einen, weil ich einen Grund zum Reden brauche, zum anderen aber auch, weil ich bei Schnäppchenpreisen einfach nicht widerstehen kann, selbst in der tiefsten Depression.
Bad Boyfriend und ich trennen uns irgendwann, und ich gehe heulend ins Shopsin’s, das inzwischen umgezogen ist. Früher lag das Restaurant in Greenwich Village, an der Ecke Norton und Bedford Street. Der eigenwillige Besitzer, Kenny Shopsin, warf manche Gäste hinaus, wenn sie ihm nicht gefielen oder ihm ihr Verhalten/ihre Nase nicht passte. Tag für Tag aß ich seine Eier-und-Käse-Enchilada-Matsche mit dem schönen Namen »Blisters on my Sisters«. Es war verrückt. Alles war verrückt. Es gab keinen Bezugsrahmen für meine Verrücktheit, weil alle meschugge waren. Aber
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