Deine Stimme in meinem Kopf - Roman
gab. Deshalb schickt er mir etwas.
FedEx bringt mir ein einzelnes Werther’s Karamellbonbon.
Als er nach Hause kommt, liest er jeden einzelnen Nachruf auf Dr. R. Er lässt mich tagelang von ihm erzählen. Er lässt mich weinen. Obwohl er versucht, mich davon zu überzeugen, dass es kein Verrat war, dass Dr. R seine Krankheit vor mir verheimlicht hat, werde ich dieses Gefühl erst los, als GH es physisch aus mir herausschüttelt. Wenn wir nicht im Schlafzimmer sind, backen wir Kuchen, jede Menge. Wir machen Rhabarberkuchen mit Streuseln. Meistens gehen wir nach seiner inneren Uhr, was bedeutet, dass wir gegen fünf Uhr morgens kochen oder backen und gegen halb acht oder acht Uhr morgens die Augen zumachen.
Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt, als ich das von Dr. R erfahre, erfährt die Presse von mir.
Wie besessen lesen wir die hässlichen Kommentare. Wer mit Stimmen in seinem Kopf lebt, fühlt sich automatisch zu Stimmen von
außen
hingezogen. Sehr häufig bestätigen diese Stimmen einem die eigenen schlimmsten Befürchtungen. Oder denken sich Sachen aus, auf die man selbst nie gekommen wäre! Normalerweise gibt es nur so und so viele Stunden am Tag, an denen man sich hasst. Die Stimmen von außen helfen da fleißig mit, machen freiwillig Überstunden.
Ich sei dick und hässlich, GH ungepflegt. Wir seien schwanger. (Sie sagen immer, man sei schwanger, noch bevor man es ist, man sei schon zusammengezogen, obwohl man noch getrennt lebt, und man fühle sich seelenverwandt, noch bevor man es selbst ausgesprochen hat. Das nimmt der Sache etwas von ihrem Reiz.)
Ich erzähle ihm, dass meine Schwester, nachdem sie im Internet war, die diversen Kommentare in einem Satz zusammengefasst hat: »Ihr bekommt ein dickes, hässliches Baby, das GH benutzt, um mehr Bücher zu verkaufen.«
GH grinst. »Das gilt nur, wenn es ein Mädchen wird, Schatz. Wird es ein Junge, ist er ein ungepflegter Magersüchtiger, der
dich
benutzt, um intellektuell glaubwürdiger zu erscheinen.«
GH muss wieder zum Set. Mum, Dad und Lisa kommen mich besuchen.
Für den Kinderfilm
Kung Fu Panda
wird überall Publicity gemacht, und eines der ersten Dinge, das Mum sagt, nachdem sie zur Tür hereingekommen ist, lautet: »Ich will das Wort ›Pandamonium‹
nicht
sehen!« Sie schüttelt den Kopf. »Deshalb bin ich nicht hergekommen!«
Andere Dinge, die sie in L.A. nicht sehen will und die bei ihr zu lautstarken und heftigen Reaktionen führen:
Bilder von Seth Rogen.
Nektarinen von
Whole Foods
.
Und die ganze Familie mault, weil mein Handy ständig piepst – mit einer neuen SMS von GH .
25. Kapitel
Einer von Dr. Rs Patienten erfährt aus meinem Blog von dessen Tod, ein Junkie mittleren Alters, der immer mal wieder bei ihm in Behandlung war. Er hatte versucht, einen Termin zu bekommen, erfuhr dann aber vom AB , die Praxis sei geschlossen.
Er heißt Mike, und er schreibt in seinem eigenen Blog:
Depressionen sind zum Kotzen. Depressionen haben und dann erfahren müssen, dass der große Zauberer, der dir mit seinen Zauberkräften helfen konnte, tot ist, trifft einen doppelt hart. Aber shit happens, und das normalerweise nicht ohne Grund.
Der Große Zauberer Dumbledore starb, bevor er das Große Böse besiegen konnte.
Doch sein Tod versetzte Harry in die Lage, seine eigene Weisheit und seine eigenen Kräfte zu entdecken. Vielleicht kann auch Mike seine Lektion lernen. Vielleicht nicht durch Magie, sondern durch Wissen. Mein Dumbledore ist tot, und ich bin mir sicher, sein Phoenix hat sich aus der Asche erhoben. Nun liegt es bei mir, nach dem Wissen zu suchen, um das Böse zu bekämpfen. Es ist ein gewaltiger Kampf, und es kann sein, dass ich selbst in Wirklichkeit das Böse bin, das besiegt werden muss, vielleicht aber auch nicht. Das muss ich erst noch herausfinden.
Als ich heute an der 94th Street vorbeikam, meiner Metapher für Hogwarts, gab es sogar eine Burg an der Straßenecke, und ich habe einen Lichtstrahl gesehen – Fawkes, der Phönix, der aus der Asche stieg.
GH kommt nach Hause und ruft: »Gypsy-Weib?«, mehrmals hintereinander, und ich verstecke mich hinter dem Sofa, einfach so. Gleich werde ich aufspringen. »Gypsy-Weib?«, ruft er. Und plötzlich bekomme ich Angst. Warum habe ich mich nackt hinter dem Sofa versteckt? Wie verrückt! Ich bin verrückt. Das ist nicht gut. Ich sollte mich endlich zeigen. Ich könnte aber auch für immer hinter diesem Sofa bleiben, bis er mich schließlich vergisst. Aber dann müsste ich mir anhören, wie
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