Deine Stimme in meinem Kopf - Roman
er andere Frauen auf dem Sofa vögelt, und das wäre schlimm. Ich sollte mich ganz schnell zeigen. Er rennt in den Garten, bis ganz ans Ende, und ruft und ruft. Ich verlasse mein Versteck, ziehe mich an und lege mich aufs Sofa. Als er zurückkommt, erkläre ich ihm, ich hätte die ganze Zeit hier gelegen, aber er hätte mich nicht gesehen. Anschließend reden wir über Shapeshifting, lieben uns und gehen schwimmen. Danach lesen wir ein bisschen, schreiben, backen einen Kuchen, schauen uns einen Film an, lieben uns wieder und gehen dann schlafen. Irgendwann sagt er: »Gut, dass wir nicht mehr verrückt sind«, und ich stimme ihm zu.
26. Kapitel
Da GH weiß, wie sehr ich für den großen Star schwärme, organisiert er für uns einen Flug nach Portugal, um Leonard Cohen in Lissabon auf der Bühne zu erleben. Cohen, inzwischen vierundsiebzig, macht eine Comeback-Tournee, nachdem er jahrelang als buddhistischer Mönch oben auf einem Berg gelebt hat. Seine Jahre davor waren von Alkohol und Schmerzen gezeichnet gewesen.
Der Veranstaltungsort ist genau genommen ein Parkplatz. Mit geschlossenen Augen höre ich zu, in den Armen von GH und mit Dr. R in meinem Herzen. Ich trage die Klugheit aller Juden in mir, alles, was man wissen muss. Ich lausche Cohen, der hässliche Dinge in sich aufsaugt und schön macht. Eigentlich bin ich hauptsächlich wegen Dr. R hier. Ich denke an die Sitzung, in der ich ihm erzählt habe, was in San Francisco passiert ist. Und plötzlich wird mir klar, dass das der glücklichste Abend meines Lebens ist.
Ich drehe und wende dieses Gefühl wie einen Kieselstein in meiner Hand. Ich bin so glücklich, und das bin ich mit GH nun schon seit sechs Monaten – der längste Zeitraum, an den ich mich erinnern kann. Es ist keine Manie. Oder doch? Ist es nicht! Ist es Bedürftigkeit? Ist es nicht. Wir brauchen einander nicht. Wir sind einfach nur sehr, sehr gern zusammen. Und es fühlt sich gut an. Zusammen sind wir gut. Und ich habe ein total komisches Gefühl. Ich kann das alles wirklich, wahrhaftig berühren, dieses Glück und auch diese Traurigkeit, ich kann es mit den Fingern nachzeichnen. Es ist nicht abstrakt oder weit entfernt. Es ist kein Faksimile. Es fühlt sich nach mir an. Das bin ich. Ich liebe ihn, und zum ersten Mal in einer Beziehung mag ich auch mich. Immer wenn er sagt: »Ich liebe dich«, antworte ich: »Ich glaube dir.«
Als wir in dem Haus wohnen, das wir in einem kleinen Fischerdorf gemietet haben, kommen meine Eltern zu Besuch – GH hat sie eingeladen. Bevor sie eintreffen, fragt er sich eine qualvolle halbe Stunde lang, ob er die Kurzgeschichten von Tschechow, die er gerade liest, verstecken soll oder nicht.
»Ich will nicht, dass sie denken, das Buch liegt absichtlich da, damit sie mich sympathisch finden.«
»Aha. Liest du diese Geschichten?«
»Klar.«
»Dann lass das Buch liegen.«
Als Mum hereinspaziert, fällt ihr erster Blick auf den Couchtisch, und sie beginnt zu strahlen: »Oh! Tschechows Kurzgeschichten kann man gar nicht oft genug lesen!«
Als GH ihr beim Ausziehen hilft, hält er sich ihre Strickweste an die Nase und dreht sich zu ihr. »Ich würde gern daran schnuppern. Darf ich?«
»Aber gern«, sagt sie mit einem strahlenden Lächeln.
Er nimmt mich beiseite und flüstert: »Sie ist wie Bernstein, in ihr spiegelt sich so vieles. Ich könnte sie ständig anschauen.« Er hat recht. Dass er auf Anhieb spürt, was für eine ungewöhnliche Frau sie ist, lässt mein Vertrauen in ihn noch mehr wachsen.
GH bestreicht einen Vollkornkeks mit Butter, und Dad wird stutzig. »Sie streichen Butter auf einen Vollkornkeks?«
GH wird etwas verlegen. »Ja. Ich finde, man kann alles mit Butter bestreichen, es sei denn, es schmeckt mit Butter nicht gut.«
Dad ist entzückt. Sein ganzes Gesicht drückt Freude aus – und er hat plötzlich einen dreieckigen Mund wie Eric Cartman aus
South Park
.
Sie gehen zusammen hinaus in die Nacht, angeblich um etwas zum Abendessen zu holen. Nach einer Zeit, die sich wie etliche Stunden anfühlt, werden Mum und ich allmählich nervös. Aber irgendwann kommen sie zurück, mit einer leckeren indischen Platte, die wir mit Hochgenuss verzehren. Wir packen die Reste um, obwohl wir alles so schnell gegessen haben, dass wir nicht mehr wissen, was es genau war. Dad nimmt einen Edding-Stift und beschriftet eine Tupperschüssel mit »Geheimnis«. GH kritzelt darunter: »... verpackt in ein Rätsel«. Dad will den Schreiber wiederhaben und fügt hinzu:
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