Dekan Diavolo
Kommen Sie.«
Suko ging vor. Gaby folgte ihm, hielt allerdings mit ihm Kontakt, denn sie hatte seine Hand umklammert. Das Gelände war dicht wie ein Dschungel. Niemand rodete hier, keiner mähte die Wiese, von der sich die mächtigen, alten Bäume erhoben und mit ihren dicht belaubten Wipfeln ein starkes Dach bildeten.
Nur die Wagen hatten sich einen Weg gebahnt. Was den Fahrzeugen im Wege stand, war von den schweren Reifen kurzerhand zermalmt worden. Suko und Gaby brauchten dieser Spur nur zu folgen. Schon bald wuchs der kastenartige LKW vor ihnen hoch. Erstand mit der Seite zu ihnen gekehrt, in seinem Schatten parkte Will Mallmanns Opel Manta.
Der Wagen war nicht verschlossen. Sogar den Zündschlüssel hatte der Fahrer noch stecken lassen. Suko ließ ihn, wo er war. Die Distanz bis zum Haus betrug nicht einmal fünf Meter. Ein altes, in der Finsternis unheimlich erscheinendes Gebäude, versehen mit zahlreichen Fenstern, hinter denen allerdings kein Lichtschimmer zu erkennen war.
»Leben Diavolo und seine Gefolgsleute im Dunkeln?« fragte Suko leise.
»Nein, einige Scheiben sind nur schwarz gestrichen worden.«
»Weshalb?«
»Mann will das Licht nicht. Man will sich auf den Weg ins Jenseits vorbereiten. Das hat auch Diavolo gesagt, der in diesem Haus lebt wie auf einer Insel.«
»Wie kommst du darauf?«
»Er hat ein Refugium für sich.«
»Du weißt, wie man hinkommt?«
»Ja, in etwa. Nur wird es schwierig für uns werden.«
»Das Problem knacken wir.« Suko nickte sich selbst zu. »Wie willst du hinein?«
»Es gibt eine Hintertür.«
»So einfach ist das?«
»Nein, nicht direkt. Das ist auch keine Tür, mehr ein Durchgang für Dinge, die man früher gelagert hat. Fässer und so…«
»Aha.«
»Der Zugang ist zwar verschlossen, ich habe mir jedoch in weiser Voraussicht einen Schlüssel besorgt. Hoffentlich haben die anderen noch nichts davon bemerkt.«
»Bravo.« Suko lobte Gaby und schaute dann auf die Frontseite des Hauses. Wenn es je eine ungewöhnliche Universität gegeben hatte, dann war es diese hier, die sich in einem dicht bewachsenen Waldgelände befand, versteckt hinter Bäumen, von außen her kaum sichtbar, nur den Eingeweihten bekannt. »Wie ist der Dekan überhaupt an das Gebäude gekommen?«
»Ich weiß es nicht. Er hat auch Beziehungen. Je länger er hier lehrte, um so wenigerhaben wir ihn gesehen. Er schien sich irgendwie verändert zu haben, glaube ich.«
»Und wie?«
Gaby hob die Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht sogar äußerlich, bei dem kann man nie wissen.«
»Das scheint mir auch so zu sein. Darf ich dir diesmal die Führung überlassen?«
»Gern.«
Gaby huschte vor Suko her. Beide waren sehr auf der Hut. Nichts sollte mehr schiefgehen hier draußen. Daß sie im Innern möglicherweise eine Hölle erwartete, war ihnen klar, auch ohne daß sie großartig darüber gesprochen hätten.
Gaby drückte sich an das Mauerwerk heran. Sie ging sehr geschmeidig durch den Wald, die Schuhe hatte sie ausgezogen. Die hohen Hacken wären nur hinderlich gewesen.
Hohes Unkraut und unkontrolliert wachsendes Buschwerk nahmen ihnen oft die Sicht. Das alte Gebäude war mehr zu riechen. Suko spürte die Ausdünstung sehr deutlich. So feucht rochen eben alte Mauern, in denen der Schimmel nistete.
Gaby sackte vor Suko weg. Sie war in eine Bodenfalte getreten und fiel bis gegen die Mauer. Der leise Fluch erreichte die Ohren des Inspektors.
»Haben Sie sich weh getan?«
»Nein, nein, es läßt sich aushalten. Komm her zu mir.« Sie humpelte weiter.
Das gefiel Suko nicht. Er fragte sie nach dem Grund, als sie stehengeblieben war.
»Irgendein spitzes Ding ist mir durch den dünnen Strumpf in den Ballen gedrungen.«
»Lassen Sie mal sehen!«
»Nicht jetzt und…«
Suko hatte gesehen, daß Gaby links humpelte. Das Bein hob er an und drehte den Fuß. Er sah das große Loch im Strumpf und auch den Splitter. Suko leuchtete ihn an und zog ihn mit einem Ruck hervor.
»Aua.«
»Keine Sorge. Das Gefühl ist immer am schönsten, wenn der Schmerz nachläßt.«
»Ja, meist für andere.«
»Müssen wir noch weit gehen?«
Gaby zog wieder ihre Schuhe an, trotz der verhältnismäßig hohen Absätze. Sie stakste humpelnd vor. Mit einer Hand stützte sie sich an der Außenmauer ab.
Eine Antwort hatte Suko noch nicht bekommen. Er brauchte sie auch nicht, denn Gaby war stehengeblieben, hatte das linke Bein angewinkelt, stützte sich noch ab und deutete mit der freien Hand schräg in die
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