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Delete: Thriller (German Edition)

Delete: Thriller (German Edition)

Titel: Delete: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg , Karl-Ludwig von Wendt
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bedruckte, vergilbte Formulare.
    Blatt für Blatt ging sie durch, überflog Randnotizen und handschriftliche Anmerkungen, die alle in derselben, ordentlichen und spitzzackigen Schrift gemacht worden waren. Endlich stieß sie auf etwas, das ihr einen Anhaltspunkt gab. Es war eine Belobigungsurkunde: »Für besondere Leistungen beim Einsatz gegen subversive Kräfte innerhalb der Nationalen Volksarmee, die zur Verhaftung mehrerer Verdächtiger führten, wird Herrn Hauptmann Walter Körner, geb. am 19 . 3.1937 , Anerkennung ausgesprochen.« War das sein Vater? Oder sein Großvater? Er hatte erwähnt, sein Vater sei Offizier gewesen, die Einrichtung dieses Bunkers im Keller des Wohnhauses sprach ebenfalls dafür. Durchaus möglich, dass er bei Julius’ Geburt bereits um die fünfzig gewesen war.
    Sie prägte sich die Ziffernfolge ein und blätterte weiter durch die Unterlagen. Als sie den gesamten Karton durchforstet hatte, war sie noch auf zwei weitere Dokumente gestoßen, die den Geburtstag von Walter Körner enthielten – einen Urlaubsantrag und eine weitere Belobigungsurkunde.
    Sie war gerade dabei, die Unterlagen in den Karton zurückzulegen, als sie oben an der Treppe Geräusche hörte. Vor Schreck rutschte ihr ein Teil der Papiere aus der Hand und fiel in einem unordentlichen Haufen zu Boden.
    In Panik versuchte sie, die Papiere zu ordnen, sodass sie in den Karton passten. Keine Chance. Ihr blieb nichts anderes übrig, als hastig den Deckel des Kartons zu schließen, die heruntergefallenen Papiere zusammenzuklauben und unter der Bettdecke zu verstecken. Sie konnte nur beten, dass er nichts davon mitbekommen hatte.
    Sie hatte es gerade eben geschafft, sich unter die Decke zu flüchten und die Augen zu schließen, als er den Raum betrat. Er blieb im Eingang stehen. Minas Herz pochte heftig. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie konnte seinen Blick spüren, wie er ihn durch den Raum schweifen ließ, als ahne er, dass etwas nicht stimmte. Sie hörte seine Schritte.
    Er rüttelte sie unsanft an der Schulter. »Mina, aufwachen. Zeit für deine Medizin!«
    Sie öffnete die Augen. Die Tränen ließen sein Gesicht verschwimmen. Dennoch erkannte sie seine misstrauische Miene. Doch er sagte nichts, hielt ihr nur die Tabletten und eine Flasche hin. Mina nahm die Tabletten, verstaute sie in der Backentasche, trank zwei Schlucke Wasser, legte sie sich wieder hin und schloss die Augen.
    Er stand eine Weile neben ihr. Dann hörte sie, wie er sich dem Regal näherte. Sie hielt den Atem an. Doch er nahm keinen Karton aus dem Regal, stand nur einen Moment da, drehte um und verließ den Raum.
    Als sie sicher war, dass er sie nicht mehr hören konnte, erlaubte sie sich zu weinen. Während die Tränen über ihre Wangen liefen, raffte sie die Papiere zusammen und verstaute sie wieder im Karton. Die Reihenfolge der Unterlagen, die sie stets so sorgsam beachtet hatte, war nicht mehr wiederherzustellen. Doch die Gefahr, dass er das bemerkte, erschien ihr auf einmal gering.
    Erst als alles wieder an Ort und Stelle war, beruhigte sie sich. Lauschte. Nichts war zu hören. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war. Er hatte ihr die Uhr abgenommen. Die Tatsache, dass sie vor wenigen Stunden »gefrühstückt« hatte, bedeutete gar nichts. Vielleicht war es später Abend und er war schon schlafen gegangen. Vielleicht war es Morgen und er aus dem Haus. Sie wusste nicht einmal, welcher Wochentag es war.
    Sie beschloss, das Risiko einzugehen und die Kombination auszuprobieren. Leise kletterte sie die Treppe hinauf. Das Zahlenschloss stand auf »8 4 29 6 744«. Sie merkte sich die Kombination, dann drehte sie die Räder auf das Geburtsdatum des ehemaligen NVA-Offiziers Walter Körner.
    Das Klicken und Knirschen der Räder erschien ihr grausam laut. Nach jedem Einrasten verharrte sie kurz, lauschte auf Schritte. Doch es blieb ruhig.
    Endlich waren alle Räder in der richtigen Position. Sie hielt den Atem an und versuchte das Öffnungsrad zu drehen.
    Es bewegte sich nicht.
    Sie biss sich auf die Lippen, um ein Aufstöhnen zu unterdrücken, zwang sich, die ursprüngliche Kombination wieder einzustellen. Dann kehrte sie zu ihrer Matratze zurück. Auf einmal fühlte sie sich so müde, als hätte sie die Tabletten wirklich geschluckt. Sie legte sich hin, zog sich die Decke über den Kopf und schlief bald darauf ein.

43.
    »Herr Hauptkommissar, ist das wirklich nötig?« John McFarren wirkte ungehalten, was seinen englischen Akzent stärker hervortreten

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