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Delfinarium: Roman (German Edition)

Delfinarium: Roman (German Edition)

Titel: Delfinarium: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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wir stehen im Supermarkt und er nimmt Produkte aus den Regalen, hält sie vor mich hin, ich schüttele den Kopf und er legt sie trotzdem in den Einkaufswagen. Er rüstet uns für einen mittleren Atomkrieg aus. Nur ein paar Tage will er wegbleiben, eine Woche oder so, aber wenn er so weitermacht, muss ich jahrelang keinen Schritt vor die Tür setzen. Der Wagen ist schon halb voll mit Getränken, Mehl, Zucker, Marmeladen, und wir haben gerade erst angefangen.
    Er stellt ganz vorsichtig einen kleinen Kaktus neben den Tiefkühlkostpackungen ab, einen putzigen Kaktus mit einer roten Puschelblüte an der Seite, Sonderangebot.
    »Für dich«, sagt er und grinst mich an. »Nö, keine Ahnung. Deshalb bist du ja da, das sollst du ja für mich herausfinden.«
    »Also bin ich gar nicht nur so eine Art Zivi und Behindertenbetreuer, sondern auch ein Detektiv und Geheimagent, ja?«
    »Jetzt hast du es endlich erfasst, genau. Du bist mein Mann fürs Feine und fürs Grobe, mein Sonderermittler, du Doppelnull, und du hast von mir die Lizenz zum Flöten.«
    »Daniel«, sage ich. »Martin Daniel.«
    »Hehe«, sagt er.
    »Du bist ja ganz schön gut drauf«, sage ich.
    »Weißt du, was das Komische an dieser Delfingeschichte ist?«
    »Nein«, sage ich.
    »Ich selber habe Angst vor Delfinen, ganz komisch. Ich hasse Delfine.«
    »Du hast Angst vor Delfinen?«
    Henry macht Anstalten, eine handliche Motorsäge in den Einkaufswagen zu legen, in Gedanken, nehme ich an, aber ich kann ihn davon abhalten.
    »Ja, seit meiner Kindheit, seit ich acht bin, das ist genau die Zahl, die ich im Kopf habe, komisch, keine Ahnung, warum ich ausgerechnet das so behalten habe. Seit damals erscheinen mir Delfine als kalte, glatte, berechnende Tiere. Sie tun so scheißfreundlich, aber sie sind viel hintertriebener, als man ihnen ansieht. Sie sind so falsch. Und sie wirken so nackt, nackte Tiere, auf eine brutale Art nackt und glänzend.«
    »Na ja«, sage ich. Das scheint mir doch etwas zu viel hineingeheimnist in unsere possierlichen Meeressäuger. »Wie kommst du denn auf so was?«
    Henry räumt eine Palette Himbeerjoghurt in den Wagen, ich lasse ihn gewähren. Joghurt geht schon in Ordnung.
    »Ich musste früher immer mit meinem Vater in den Zoo. Ich wollte gar nicht. Am Wochenende in den Zoo, und immer stand als Höhepunkt der Besuch des Delfinariums auf dem Programm. Am schlimmsten war der Moment, wenn ein Kind ins Boot steigen sollte, um von einem Delfin im Kreis herumgezogen zu werden.«
    Komisch, denke ich, alle möglichen Dinge auf der Erde entwickeln sich rasant, Autos fahren immer schneller und können Bioraps tanken, mit Telefongeräten kann man Wäsche bügeln und sich von Kontinent zu Kontinent bewegen, aber auf dem Gebiet der Delfindressur scheint es nur Stillstand zu geben. Immer noch dieselbe alte Bootsnummer. Ist da wirklich alles ausgereizt? Gibt es keine zeitgemäßen Entwicklungen? Nummern mit Delfinen im Cyberspace, Videoprojektionen?
    Vitamintabletten, sechs Röhrchen, in den Wagen, zappzerapp.
    »Ich hatte immer diese irrationale Angst, dass mein Arm von alleine hochgeht, um mich zu verraten. Dass ich mich unfreiwillig melde, dass mein Arm sich selbstständig macht. Oder dass ich einfach so drangenommen werde, ohne mich zu melden. Ich wollte um mein Leben nicht in dieses Boot, ich wollte keinem Delfin jemals so nahe kommen, so ausgeliefert sein. Ich traute diesen gefühllosen, manipulierenden Kreaturen nicht.«
    Ich schaue ihn mir besorgt von der Seite an. Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, ob er maßstabsgetreu eine Erinnerung referiert oder ob seine Fantasie mit ihm durchgeht.
    »Ich hielt meinen eigenen Arm fest, so«, Henry macht mir vor, wie er sich selbst festgehalten hat, »ich presste ihn an meinen Körper, um mich nicht unfreiwillig zu melden, während um mich herum alle Kinder wie wild mit den Fingern schnipsten. Einmal hat sich mein Vater für mich gemeldet.«
    »Und, wurde er drangenommen?«
    »Nein. Aber trotzdem habe ich ihm das nie verziehen. Er wusste von meiner Angst. Er schaute auf mich herab, während die Bootskindsuche lief. Ganz langsam senkte er den Blick zu mir herab, dann ließ er ein Lächeln auf seinen Mundwinkeln entstehen. Langsam bildete sich das Lächeln aus, wie so ein Schmetterling sich entfaltet oder wie so eine Blume aufgeht.«
    Henry, denke ich streng, mäßige dich.
    »Dann hob er langsam den Arm, ganz langsam, den Blick auf mich gerichtet, lächelnd. Langsam schob er seinen Arm empor, bis er über

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