Delfinarium: Roman (German Edition)
mich, ob die beiden keine Freunde oder Bekannten haben.
»Ach komm, du packst das«, er schüttelt mich an der Schulter, »mir zuliebe, tu mir den Gefallen. Ich schreibe dir eine Liste, auf was du alles zu achten hast, im Haus und mit Susann, okay?«
Mir ist schlecht, ich bin glücklich. Warum vertraut er mir so?
»Ja«, sage ich.
So ein Kuppler.
Als das Essen Essen ist, trägt er die Schüsseln ins Wohnzimmer hinüber. Dort ist für zwei Personen gedeckt. Er schiebt die Tür weiter auf und macht mir Platz, bugsiert mich zum Esstisch hinüber. Ich sitze und betrachte die Ecke neben dem Klavier, in der ein Computertisch steht. Der Computertisch ist mir bislang nicht aufgefallen, trotz seiner Hässlichkeit. Computertische gehören ohne Zweifel zu den hässlichsten Möbeln der Erde. Ich habe nie verstanden, wozu die Menschheit Computertische benötigt, warum man seinen Computer, wenn man schon einen haben muss, auf keinen normalen Tisch stellen kann. Warum es ein spezielles Möbel geben muss. Das Wunder der Funktionalität, es offenbart sich mir nicht, nicht bei Möbeln, nicht im wirklichen Leben. Das Klavier habe ich wahrgenommen, den Computertisch nicht. Ich bin gut darin, mir unliebsame Dinge auszublenden.
»Was ist mit Susann?«, frage ich.
»Wir wollen unter Männern miteinander reden«, sagt er. »Das ist ein Männerabend.«
Ich habe bereits so viel Bier in meinen Adern, dass sich das für mich wie eine gute Idee anhört. Ich stelle mir Susann vor, die oben in ihrem Zimmer sitzt, sich kämmt und mit knurrendem Magen unseren gedämpften Stimmen lauscht.
»Wie war sie nun eigentlich vorher?«, frage ich, als wir fertig gegessen haben.
Ich wische meinen Teller mit einem Stück Brot sauber, da braucht er kaum noch etwas abzuwaschen.
»Du wolltest neulich schon einmal von ihr erzählen, aber dann hast du doch nichts gesagt.«
Er sagt, dass Susann viel unterwegs gewesen sei wegen des Berufs.
Er sagt, als Stewardess habe sie offen sein und gerne reden müssen.
Er sagt, sie habe sich gut mit ihren Kolleginnen verstanden, obwohl sie eigentlich nicht viele Freundinnen gehabt habe.
Sie habe zweimal die Woche Sport gemacht, sei ins Fitnessstudio gegangen.
Sie habe sich gerne Filme angeguckt, DVDs.
Sie sei gern zu Hause gewesen. Ab und zu seien sie zum Essen ausgegangen, manchmal ins Kino.
Sie habe sich auf das Kind gefreut.
Sie hätten gemeinsam das kleine Zimmer eingerichtet.
Sie habe noch mehr Kinder gewollt, zwei oder drei.
Das sagt nichts über sie aus, finde ich, das hätte er mir beinahe über jede Person erzählen können, aber vielleicht muss das so sein, vielleicht ist das immer so. Vielleicht bleibe ich auch so farblos, wenn man über mich erzählt.
»Aber manchmal«, Henry seufzt, »frage ich mich, ob das alles so stimmt, wie ich mich erinnere, vielleicht war sie auch ganz anders, vielleicht habe ich sie ganz falsch gesehen, falsch eingeschätzt, so wie ich sie sehen wollte, wie es mir in mein Bild passte. Vielleicht ist ja die Susann, die du jetzt siehst, die wirkliche Susann. Was weiß denn ich? Was fragst du denn mich, wie sie war, ich kann das gar nicht mehr wirklich sagen, sie müsstest du fragen. Mich ignoriert sie doch komplett, ich bin Luft für sie, sie behandelt mich wie ein Möbel, und ich habe sie seit Monaten nicht angefasst, ich bin so was von vorsichtig, das kann ja kein Mensch, kein Mann, aushalten.«
»Hm«, mache ich und habe Angst, dass er richtig losweinen wird, ich weiß nicht, was ich dann tun soll. Er ist viel älter als ich. Er fährt sich mit beiden Händen durch die Haare.
»Wie habt ihr euch kennengelernt?«
»Wir kennen uns schon seit der Schule, sie war ein paar Klassen unter mir. Ich war schon immer in sie verliebt, weil sie so besonders aussieht. Sie sah schon immer besonders aus. Weißt du, was ich meine? Ist es dir aufgefallen?« Er macht eine Handbewegung, die ihre Stirn simuliert.
»Na ja«, sage ich. Ich finde auch, dass Susann besonders aussieht, niemand ist wie sie. Und ich finde sie richtig hübsch jetzt.
»Sie war auch schon immer größer als ich«, Henry lächelt wehmütig, »aber sie hat sich nicht für mich interessiert.«
Besonders romantisch klingt das nicht, finde ich. In meinem Arm entsteht ein gewisser Drang, ein Gefühl der Spannung, ihm mitfühlend auf die Schulter zu klopfen, aber ich weiß es zu verhindern.
»Ich hol mal neues Bier, ja?« Henry steht auf, schlurft mit dem Geschirr in die Küche.
»Ja«, sage ich und trinke meine
Weitere Kostenlose Bücher