Delfinarium: Roman (German Edition)
finde ich einen kleinen Rollkoffer. Ich lege fünfmal die Stewardessengarnitur hinein, Unterwäsche und Strümpfe. Dann fahren wir zu dritt mit Henrys Wagen in die Stadt. Petra hebt vierhundert Euro von ihrem Sparkonto ab und drückt sie mir in die Hand.
»Das gibst du mir irgendwann wieder, okay?«
Sie gibt mir ihre Sparcard dazu. Auf dem Konto befänden sich ungefähr achttausend Euro, sagt sie, ich solle darüber verfügen, schließlich bräuchten wir Geld, wenn wir unterwegs wären. Sie schreibt mir ihre PIN auf einen alten Busfahrschein und schiebt ihn in mein Portemonnaie. Wir gehen in einen Handyladen. Ich lasse Petra reden, sie ist besser in diesen Dingen. Ich sehe uns zu, wie wir ein Handy kaufen auf Petras Namen. Petra engagiert wie immer – und dann zwei Schweiger im Hintergrund, eine große Blonde in einer Stewardessenuniform, daneben ein stiller Dunkelhaariger mit blassem Gesicht, von dem man keinen bleibenden Eindruck erhalten haben wird. Draußen drückt Petra mir das Handy in die Hand.
»So«, sagt sie. »Damit gibst du mir Bericht. Ich bin die Telefonzentrale. Ich koordiniere die Einsätze, bei mir laufen die Fäden zusammen, okay?«
»Ja, Chef«, sage ich.
Danach trennen wir uns fürs Erste. Ich habe drei Telefonate zu erledigen.
Das Telefonat mit Henry ist kurz. Ich sage ihm, dass alles gut läuft, dass wir im Zoo waren und Susann schweigt, nichts Neues also. Henry erzählt, dass seine Schwester einen Thailänder kennengelernt und für ihn Drogen in ihrer Wohnung aufbewahrt hat. Er fragt mich, ob ich etwas zu essen gemacht habe und ich erzähle ihm, dass es heute Fischstäbchen gab, was der Wahrheit entspricht.
Dann rufe ich den Mann an, der sich Max Braun nennt. Ich sage ihm, dass er uns auf dem Parkplatz vom Skymarkt in Kirchwerder treffen soll, morgen, am Sonntag um 11 Uhr 30. Dass er dort mit Susann reden kann und dass noch eine Freundin von mir dabei sein wird, um aufzupassen.
Dann rufe ich meinen Vater an. Es klingelt länger, weil er im Sessel eingeschlafen ist.
»Martin«, meldet sich mein Vater.
Ich sage: »Hier auch«, und endlich einmal, ausnahmsweise, ist es keine Lüge und keine Verdrehung. Komisch, es klingt so erwachsen, nur den Nachnamen zu sagen. Vermutlich ist man erwachsen, wenn man sich mit seinem Nachnamen vorstellt oder am Telefon meldet, ohne ein komisches Gefühl zu haben.
»Papa«, sage ich, »ich bin’s. Ich wollte mich nur mal melden. Wie geht’s?«
»Gut«, sagt mein Vater. »Und selber? Was treibst du dort bei diesen Leuten?«
»Nichts, ich passe auf Frau Windgassen auf. Ich kümmere mich hier ums Haus und so. Eigentlich bringt es Spaß. Kommst du gut zurecht so ganz alleine ohne mich?«
»Ich war schließlich auch schon vor dir da.«
»Papa, pass bitte auf dich auf«, sage ich. »Lass es dir gut gehen, sei nicht traurig und mach dir bitte keine Sorgen um mich, ja? Ich melde mich bei dir, ja? Ich lass dich nicht im Stich, ich lass dich nicht alleine, okay?«
»Daniel, ist alles in Ordnung bei dir?«
»Ja, Papa.« Und dann sage ich etwas, was ich selten zu ihm sage. Ich sage: »Ich hab dich lieb.«
»Ich dich auch, Daniel«, sagt er. »Mein Sohn, manchmal finde ich dich etwas sonderbar.«
»Das ist die väterliche Linie.«
»Na, du musst es ja wissen.«
»Tschüß, Papa«, sage ich.
Ich sehe es vor mir, wie er den Hörer auf die Gabel legt und kopfschüttelnd zum Sessel zurück geht, in den Garten schaut und sich am Kopf kratzt, mein Vater. Das lässt mich lächeln.
Später liege ich in Henrys Bett. Bilder und Gedanken schwirren mir durch den Kopf, als wäre Flugschau oder Tag der offenen Lüfte auf dem Provinzflughafen. Und ich warte darauf, ob wieder die Tür aufgeht und sie sich zu mir legt, um mir irgendwelche Wunder zu zeigen. Ich liege da und atme und denke. Schlafen kann ich jedenfalls nicht. Ich denke daran, wie sie durch die Nacht gleitet in ihrem weißen Hemd, um mich glücklich zu machen.
12. Ich dich auch nicht
Ich liege in Henrys Bett und muss an eines der letzten Male denken, an dem ich Sex mit Petra hatte. Wir waren drüben in der Stadt gewesen. Petra hatte mich mit in einen Bretterbuden-Club am Hafen genommen, obwohl ich eigentlich nichts für solche Besuche übrig habe. Sie weiß das und sie hat mich trotzdem mitgenommen, weil sie meinte, es täte mir ganz gut, wenn ich mal ein paar andere Dinge sehe und tue, als immer nur eine Behinderte durch Finkenwerder zu führen. Sie meinte, der Anblick von Gleichaltrigen, von hippen
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