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Delfinarium: Roman (German Edition)

Delfinarium: Roman (German Edition)

Titel: Delfinarium: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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sagt er. »Ich glaube nicht, dass du böse bist, dir wird auch nur mitgespielt, glaube ich. Ich glaube nicht, dass du einer von den Bösen bist. Es lässt sich alles klären.«
    Ich denke, wo ist Susann, ist sie sicher? Zuletzt stand sie oben im Bad. Ich bin im Wohnzimmer gewesen, habe in einem Buch über Ottomotoren gelesen.
    »Wer sind Sie?«, frage ich.
    »Mein Name ist Max Braun und du beherbergst meine Frau in diesem Haus.«
    »Die Frau von Herrn Windgassen«, sage ich.
    »Meine Frau«, sagt er. »Ich bin ihr Ehemann.«
    »Alles klar«, sage ich und will die Tür schließen.
    »Schau mal«, sagt er. Er greift in die Innentasche seiner Jacke und ich denke, er zieht eine Pistole hervor wie im Fernsehen, aber dann hat er eine Brieftasche in der Hand. Er klappt sie auf und hält sie mir hin. In der Brieftasche befinden sich zwei Fotos. Auf beiden Fotos ist Susann zu sehen. Auf dem ersten sieht man ihn und sie, Susann, denkt es in mir, er trägt einen braunen Anzug und sie ein Hochzeitskleid. Auf dem anderen Bild sieht man sie auf einer Treppenstufe sitzen mit einem dunkelhaarigen Kind, einem Jungen von etwa zwei Jahren auf dem Schoß, Susann mit den türkisen Augen und den blonden Haaren, nur die Frisur ist anders, als wäre sie zu Gast in einem fremden Leben. Als ihre eigene Doppelgängerin, ihre Zwillingsschwester. Susann.
    Henry hat nie etwas von einer Zwillingsschwester erzählt. Er hat auch nicht erzählt, dass sie schon einmal verheiratet war.
    »Und?«, frage ich den Mann, halte ihm die Brieftasche hin.
    »Meine Frau«, sagt er. »Entführt. Verschwunden im April 2003. Polizeilich gesucht, vermisst. Ich habe sie hier gefunden und ich verlange, dass du sie mir auf der Stelle herausgibst, sonst hole ich die Polizei schneller als du Hip-Hop sagen kannst. Alles klar?«
    »Warten Sie«, sage ich. Ich schließe die Tür. Meine Finger zittern, meine Knie fühlen sich schwach an. Ich gehe ins Wohnzimmer und hole Henrys Fotoalbum. Ich öffne die Haustür und halte ihm das Album an der entsprechenden Stelle hin, Henrys und Susanns Hochzeit. Dann Bilder von der schwangeren Susann, Susann mit starrem Blick, die Hände auf dem Bauch. Henry hat das Foto so aufgenommen, dass man den Fluss im Hintergrund sieht.
    »Hm«, sagt er, »wir müssen reden. Lass mich rein, bitte.«
    »Nein«, sage ich, »das geht nicht.« Ich sage es streng. Mir schwindelt, aber Angst habe ich nicht mehr. Er sieht jetzt genauso ratlos aus wie ich.
    »Ich kann Sie nicht reinlassen, es geht nicht.«
    »Okay«, sagt er. »Du verarschst mich nicht, oder?«
    »Nein«, sage ich.
    »Gut«, sagt er.
     
    Ich rufe Petra an, frage sie, ob sie auf Susann aufpassen kann. Es ist mir unangenehm, ausgerechnet diese beiden Frauen zusammen, aber was soll ich tun. Es geht nicht anders, jemand muss auf sie aufpassen, und meinen Vater kann ich nun wirklich nicht fragen. Ich gehe hinauf zu Susann und sage ihr, dass gleich Petra kommt, um auf sie aufzupassen, dass ich dringend fort muss, dass ich aber in zwei Stunden wieder da bin. Dann packe ich zwei Fotoalben in eine Tüte, eins mit Bildern von Henry und Susann, eins mit ihren Kindheitsbildern. Ich habe mich mit dem Mann, der sich Max Braun nennt, im Zoo verabredet, in einer Stunde, vor dem Giraffengehege. Leider habe ich vergessen, mir seinen Ausweis zeigen zu lassen, aber das hole ich nach. Ein öffentlicher Ort scheint mir gut, ein Ort, an dem sich andere Menschen aufhalten – zur Sicherheit. Mann, denke ich und komme mir vor wie ein Nebendarsteller im Sonntagabendkrimi, mein Puls fliegt, und ich überlege, ob ich Henry auf seinem Handy anrufen soll.
    Dann steht Petra in der Tür. Petra in Henrys Wohnzimmer, auch schon schräg genug. Das reicht mir eigentlich fürs Erste, zwei getrennte Welten auf Kollisionskurs. »Bier steht im Kühlschrank«, sage ich, haha. Ich unterrichte Petra kurz über das, was passiert ist.
    »Verrückt«, sagt sie. »Bist du sicher, dass du dir das Ganze nicht einbildest?«
    »Spinnst du«, sage ich. »Da müsste ich ja richtig von der Rolle sein, das wären aber ziemlich handfeste Halluzinationen.«
    »Eben«, sagt Pet und schaut mich halb besorgt, halb spöttisch an. »Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
    »Susann ist oben«, sage ich. »Du musst nichts machen, lass sie bloß nicht raus.«
    »Klaro«, sagt sie. Wir schauen uns lange in die Augen.
     
    Ich setze mich auf die Bank vor dem Giraffengehege, er ist noch nicht da. Jetzt komme ich mir vor wie im Agentenfilm, ich habe leider

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