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Delhi Love Story

Delhi Love Story

Titel: Delhi Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swati Kaushal
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zurück.
    »Alles in Ordnung, Arti-Beta. Das ist mein Fahrer Raju. Du kannst ihm den Koffer ruhig geben.«

    Arti? Erst einen Moment später merke ich, dass er mich meint. »Ich heiße Annie, nicht Arti«, sage ich, aber er hat sich schon zu Ma gedreht. »Das mit Sujit tut mir sehr leid«, sagt er ihr. »Was für ein schrecklicher Tod. Ich konnte wochenlang mein Abendessen nicht genießen. Und wie ist es in Amerika? Habt ihr schönes Wetter? Hier ist es schlimm, das seht ihr ja. Neera überlegt, eine Sommerwohnung in New York zu kaufen. Mal sehen. Immobilien sind heutzutage eine schwierige Angelegenheit.«
    Raju, der Fahrer, navigiert uns in Girish- Taus weißem Mercedes durch das Verkehrschaos der Innenstadt von Bhopal. Das Auto ist neu, die Klimaanlage hervorragend und der Motor auf Höchstleistungen ausgerichtet. Dafür gibt es allerdings bei diesem Schneckentempo keine Gelegenheit. Ich sitze auf der Rückbank neben Satish- Tau und wundere mich darüber, mit welcher Geduld Ma Girish- Taus Vortrag über die »schlimmen Plagen« der Großstadt erträgt. Als wir auf der Hauptstraße im dichten Verkehr stecken bleiben, schnalzt er ungeduldig mit der Zunge. Satish- Tau starrt weiter regungslos aus dem Fenster.
    »Nach dem Gasunfall herrschten hier bestimmt schreckliche Zustände«, sagt Ma und blickt staunend und voller Mitleid auf die Baracken am Straßenrand und auf das große Schild, auf dem der Konzern Dow gebeten wird, endlich für sauberes Grundwasser zu sorgen. Das Schild ist rostig und kaum erkennbar, es scheint den Kampf gegen die größere, glänzende Werbetafel mit dem Samsung-Fernsehgerät zu seiner Linken und gegen die leuchtend rosa Hautaufhellercreme zu seiner Rechten zu verlieren.

    »Ja, der Gasunfall – frag am besten nicht«, sagt Girish- Tau . »Wochenlang mussten wir unsere Verkaufsräume schließen. Wir haben über die Hälfte unserer Mitarbeiter verloren.«
    »Das ist kaum vorstellbar –«
    »Aber während die Immobilienpreise niedrig waren, sind mir einige Schnäppchen gelungen.«
    Ma sieht ihm zu, wie er nach seinem Mobiltelefon sucht. »Und was machst du, um ihnen zu helfen?«
    »Wem? Ach, den Arbeitern? Du weißt, wie es läuft. Die Nichtregierungsorganisationen, die Medien, die Politiker … Indien ist verloren, das sage ich dir.«
    »Aber –«
    »Moment, Isha, ich muss kurz jemanden anrufen.«
    Ich drücke Mas Hand, die sich in ihrem Schoß verkrampft hat. Er ist ein widerwärtiger Typ. Aber was hatte sie denn erwartet?
    Satish- Tau rutscht auf dem Sitz hin und her, als Girish- Taus laute, aggressive Stimme ertönt. Er flüstert: »Hier war unser altes Geschäft.« Ich folge seinem Blick eine schmale Gasse hinunter, aber der dichte Verkehr versperrt die Sicht. »Nach dem Gasunfall haben wir es geschlossen.«
    »Aber was ist mit den Mitarbeitern, Satish-Bhai?«
    »Bauji wollte eigentlich direkt daneben einen kleinen Dharamsala errichten lassen. Für die Alten und Schwachen, pflegte er zu sagen.« Er seufzt und seine Stimme wird schwächer, so wie das Bild des Dharamsala , den sein Vater immer bauen wollte, aber nie gebaut hat.

    Während wir im Stau stehen, blicke ich hinaus in das Chaos aus Fahrrädern und Motorrollern, schwitzenden Männern, die Rikschas ziehen, und schubsenden Menschenmassen. Hier ist es ganz anders als im glitzernden Gurgaon. Entsetzt entdecke ich einen ärmlich gekleideten Mann auf einem Handkarren, dem beide Beine fehlen. Er rollt auf den Mercedes zu, streckt einen Arm aus und verzerrt den Mund zu einer zahnlosen Grimasse, während er an das Autofenster klopft. Girish- Tau telefoniert noch und verscheucht ihn mit einer Geste. Er bedeutet Ma, ihr Portemonnaie stecken zu lassen. »Verschwende dein Geld nicht, Isha. Die Bettler hier in Bhopal sind alle Nichtsnutze und Verbrecher. Ich sage dir, schlimmer als die Mafia.«
    Ma zieht trotzdem einige Scheine aus dem Geldbeutel und steckt sie dem Mann zwischen die verstümmelten Finger. »Dann lass mich doch verhaften«, höre ich sie murmeln.
    Missbilligend zieht Girish- Tau seine buschigen Augenbrauen zusammen. Ich würde sie ihm am liebsten abreißen. Er hat kein Recht auf solche Augenbrauen.
    »Amerikaner«, seufzt er. »Sag mal, Isha, wie viel Zinsen bekommt man in Amerika im Moment? Ich habe gehört, die Volatilität sei dort gerade sehr hoch. Das reizt mich. Vielleicht eröffne ich einen Laden … «
    Satish- Tau sieht ihn kurz an. »Wir brauchen keinen Laden in Amerika, Girish«.
    »Natürlich nicht, Bhai- Sahab .

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