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Delhi Love Story

Delhi Love Story

Titel: Delhi Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swati Kaushal
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Aber alle würden mit Dollars bezahlen und alle Kunden wären weiß. Es wäre dumm, nicht zu expandieren.«

    »Das würde uns finanziell –«
    »Mach dir darüber keine Sorgen, Bhai- Sahab . Ich habe dir schon oft gesagt, dass ich diese Dinge im Griff habe.«
    Satish- Tau seufzt und starrt wieder aus dem Autofenster. Ich weiß nicht genau, welchen der beiden ich mehr hasse, den unausstehlichen oder den antriebslosen Onkel.
    »Ah, endlich.«
    Ich blicke wieder nach draußen und sehe, dass wir den schlimmsten Verkehr hinter uns haben. Das Auto schießt nach vorne, als Raju in den zweiten Gang schaltet. Langsam werden die dicht an dicht gebauten Buden und die Straßenverkäufer weniger, die Straßen breiter. Mit halbem Ohr verfolge ich ein weiteres Telefongespräch von Girish- Tau . Die Baumreihen bleiben hinter uns zurück, ich sehe Verkehrspolizisten mit marineblauen Mützen und spüre die Schlaglöcher in den Straßen. Das ist Papas Heimatstadt.
    Papas Heimatstadt. Der Gedanke kommt ganz plötzlich. In dieser müden, elenden Stadt mit ihrer schläfrigen Geschäftigkeit, ihren alten Häusern und heruntergekommenen Läden ist mein Vater aufgewachsen. Diese Bilder und Gerüche haben sein Bewusstsein geprägt; dieses Geschwätz bildete die Geräuschkulisse seiner Träume und Gedanken. Die Stadt war ein Teil von ihm, wie er ein Teil von ihr war. Seit der Landung schon verspüre ich leichte Übelkeit, die jetzt immer stärker wird.
    Raju biegt in eine noch breitere, ruhigere Straße ein und wird langsamer. Große, stille Wohnhäuser wechseln
sich mit Rasenflächen ab. Manche verstecken sich hinter hohen Mauern und alten Feigenbäumen. Sie sehen bestimmt noch genauso aus wie vor 20 Jahren.
    Plötzlich fährt Raju eine Auffahrt hinauf und passiert ein Tor, an dem ein Schild mit dem Namen »Rai« angebracht ist. Ein uniformierter Angestellter springt von seinem Stuhl am Tor auf. Ich starre fasziniert auf das große alte Haus ganz am Ende der Zufahrtsstraße. Es ist größer, älter und herrschaftlicher als die Nachbaranwesen, das Gras ist grüner, mehr Bäume zieren den Park. Hier also hat Papa gelebt, hier wurde er geboren.
    Neben mir holt Ma hörbar Atem. »Ich hatte ganz vergessen, wie schön es hier ist«, sagt sie.
    »Das Haus ist eine Last«, klagt Girish- Tau . »Allein die Stromrechnung! Ich würde es lieber heute als morgen verkaufen, aber Satish-Bhaisahab …«
    »Es ist unser Zuhause.« Satish- Tau steigt langsam aus und hält mir die Autotür auf. »Und es ist doch recht gemütlich. Solange Mai noch lebt …«
    Über Mas Gesicht huscht ein Schatten, als sie hinter mir aus dem Auto steigt. Sie streicht ihren Sari glatt und fragt zögernd: »Wie geht es Mai?«
    »Sie ist eben alt.« Girish-Tai zuckt mit den Schultern. »Da kann man nichts machen.«
    Hinter den anderen gehe ich die Auffahrt entlang. Ich kann kaum glauben, dass ich wirklich hier bin. Es ist, als sähe ich jemand anderem beim Hiersein zu. Als wären das große alte Haus und die fremden Leute, die mir so ähnlich sehen, nur ein seltsamer, verstörender Traum. In diesem Traum ist alles möglich: Jeden Augenblick
könnte Papa hinter einer Säule oder einem Busch hervorspringen, aus dem Haupteingang treten oder auf seinem Fahrrad um die Ecke biegen und mich umfahren.
    Trotzdem weiß ich natürlich, dass ich mir die Auffahrt nicht einbilde. Sie ist genau hier, unter meinen Füßen, so wie sie vor 20 Jahren unter Papas Füßen war. Hier ist er entlanggegangen, hier ist er Fahrrad gefahren, hat sich ein Stück vom Schneidezahn ausgeschlagen, die Knie und Ellbogen aufgeschrammt und gespielt. Auf genau dieser Auffahrt vor vielen, vielen Jahren. Und jetzt gehe ich hier entlang. Am liebsten würde ich mich hinknien und die Auffahrt in die Arme nehmen.
    Ich schüttele den Kopf. Das hier ist keine Schatzkiste voller Erinnerungen, sondern nur ein altes Haus voller unfreundlicher Leute, mit denen ich nichts gemeinsam habe als den Nachnamen und eine gewisse Ähnlichkeit. Sie gehören nicht zu mir, und obwohl Papa sein halbes Leben mit ihnen verbracht hat, gehörten sie auch nie richtig zu ihm.
    »Isha! Anisha!«
    An der Haustür stehen zwei Frauen und rufen – das müssen meine furchtbaren Tanten sein. Voller Abscheu sehe ich sie an. Mamta, die ältere, ist dünn und nervös; die jüngere, Neera, hat ein Mopsgesicht und Knopfaugen. Beide scheinen sich wirklich zu freuen, aber ich durchschaue das Spiel. Als sie mich umarmen, mache ich mich ganz steif und blicke

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