Delhi Love Story
Seminarräume und Gebäude, erzählt vom bevorstehenden Festival hier am College, vom Vorsprechen, von den neuen Kulissen. Aber ich höre kein einziges Wort. Ich nicke und lächle zwar und stelle sogar intelligent klingende Fragen. Aber ich kann
die ganze Zeit nur an eines denken: Er und ich, wir zwei ganz alleine, werden uns jetzt tatsächlich zusammen an einen Tisch im Café setzen.
Er winkt ein paar Freunden zu und erklärt mir, sie teilten sich mit ihm ein Stockwerk im Wohnheim und sollten ihm beim nächsten Stück der studentischen Theatergruppe – Macbeth – helfen. Allerdings sei es sehr schwer, sie morgens zum Aufstehen zu bewegen. Er fragt mich, wie lange ich mich schon für Theater interessiere.
Bis zu diesem Moment hatte ich die perfekte Harmonie unserer Schritte beobachtet und kann meinen Blick jetzt nur mit Mühe vom Boden lösen. »Schon ewig«, sage ich. Meine Stimme klingt leicht und zart, ganz anders als sonst.
»Ja, so kommt es einem immer vor. Wollen wir draußen sitzen?«
»Draußen« ist ein Innenhof links von der Cafeteria; das Kopfsteinpflaster ist eben erst gereinigt worden und glänzt noch feucht. Den Hof säumen Blumenbeete. Die roten Korbstühle und Tische stehen im Schatten eines großen Feigenbaums. Wie in Trance gehe ich hinter Kunal die Stufen zum Innenhof hinauf.
»Wie wäre es hier?«
Er deutet auf einen Tisch direkt unter dem Baum. Im Beet dahinter blühen Zinnien und Phloxl. Eine hohe Hecke schützt uns vor dem Lärm auf dem nahe gelegenen Basketballplatz. Er bietet mir einen Stuhl an. Als ich mich setze, streifen seine Finger leicht meine Schulter; meine Haut prickelt an der Stelle, die er berührt hat.
»Schön hier, oder?«
»Es ist toll.« Oh je Ani, wie wäre es mal mit einem anderen Adjektiv!
»Im Vergleich zur Kantine an der NPS kommt einem wohl alles toll vor«, sagt Kunal.
Ich bin froh, dass er dabei lächelt. Ich befühle die Vase mit den lilafarbenen Blumen vor uns auf dem Tisch. Daneben stehen eine halb volle Zuckerdose, ein Serviettenhalter aus Porzellan und Salz- und Pfefferstreuer. Ich muss an typische Pariser Cafés denken.
»Ah, da kommt Ramesh.«
Ich folge seinem Blick. Ein junger Mann schlendert in unsere Richtung. Er trägt zu weite, verwaschene Jeans und ein rotes T-Shirt, auf dem in ausgeblichenen silbernen Buchstaben »– ike« steht.
»Guten Morgen, Kunal- Saab !«, ruft er. »Hast du heute kein Seminar?«
»Nein, Boss, wie du siehst, habe ich Besuch.«
Der Typ grinst und bietet mir die Karte an. »Willkommen, Miss …?«
»Anisha.«
»Was für ein schöner Name.«
»Lass dich bloß nicht von solchen Komplimenten beeindrucken«, rät Kunal. »Der Kerl ist durch und durch ein Gauner.«
»Wie bitte, Kunal- Saab «, erwidert Ramesh. »Nur weil du hier mit einem hübschen Mädchen sitzt, kannst du dich noch lange nicht über mich lustig machen. «
»Eben weil sie ein hübsches Mädchen ist, warne ich
sie ja. Übrigens hätten wir gerne zwei Chai , einen Teller Pakoras und ein paar von deinen Schokoladenspezialitäten, jaldi .«
Ramesh nimmt die Karten und geht pfeifend davon. Hübsch. Das Wort tanzt in meinem Kopf herum.
»Also, Ani, was war deine Frage zur Symbolik?«
Ich sammle mich und versuche, eine kohärente, knappe Frage zu formulieren. »Woher weißt du, wann es genug ist? Ich meine, woher weißt du, wann die Symbole Bedeutungsebenen hinzufügen und wann es zu viel wird? Ich meine, zum Beispiel das Bühnenbild …«
Aus irgendeinem Grund hat sich Kunal gemütlich zurückgelehnt und sieht mir einfach beim Sprechen zu. Sein Blick wandert von meiner Stirn zu meinen Augen, Wangen und Lippen …
»Weshalb fragst du?«
»Na ja, weißt du, das ist einfach faszinierend …«
»Ach ja?«
Sein Tonfall hat sich verändert, er macht sich über mich lustig. Ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her, schlage ein Bein über das andere. Mein Fuß stößt gegen sein Schienbein. »Entschuldigung«, sage ich und stelle beide Füße wieder fest auf den Boden.
»Entspann dich, yaar .«
Er streicht beruhigend über meinen Handrücken; die Geste überrascht mich. Er lächelt und schiebt seinen Stuhl noch näher heran. »Um deine Frage zu beantworten: Ich glaube, das Theater ist einfach ein erweiterter Bereich des Lebens. Alles, was du tust, ist hauptsächlich
intuitiv. Man gebraucht und interpretiert Symbole auf der Bühne genauso wie im echten Leben. Glaubst du nicht auch?«
Ich nicke, obwohl ich keine Ahnung habe, wovon er spricht. Ich weiß
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