Delhi Love Story
angesichts der Kälte meiner Hand nicht zusammenzuckt. »Gut gemacht, Anisha«, flüstert Q irgendwo in der Dunkelheit. Ich lasse mich in den leeren Sitz neben ihr fallen. Meine Beine fühlen sich leblos und taub an, als
sei ich aus einem zu schnell fahrenden Bus gesprungen oder wäre beinahe unter die Räder eines rasenden Autos geraten.
Was macht er bloß hier? Was hat er nur gedacht, während ich da oben stand? Ich rufe mir unser letztes Gespräch in Erinnerung und schüttele mich. Nie hätte ich geglaubt, ihn wieder zu treffen.
Wenigstens ist es vorbei. Ich habe es hinter mir und bald schon werden wir auf dem Rückweg zur Schule sein. Diesmal ist es wirklich unsere letzte Begegnung.
Und wenn nicht? Wenn er auch bei den folgenden Debatten anwesend ist? Und beim nächsten Theaterworkshop, der nächsten Vorstellung, seinem nächsten Besuch an unserer Schule? Wenn wir uns weiter über den Weg laufen und jeder den anderen beobachtet und denkt …
»Was denkst du?«
Ich zucke zusammen, als Keds plötzlich neben mir in der Dunkelheit auftaucht. »Wie war ich?«
»Großartig.«
»Wirklich?«
»Fast so großartig wie ich.«
Q lehnt sich zu Keds hinüber und klopft ihm auf den Rücken.
»Gut gemacht, Kedar.«
»Danke, Ma’am. Wussten Sie, dass Kunal Pradhan in der Jury sitzt?«
»Ach ja? Das ist toll!« Sie blickt sich um, spricht jetzt leise.
»Ich behaupte nicht, dass er als Ehemaliger parteiisch ist, aber schaden kann das nicht.«
Unser Team belegt den dritten Platz. Nach einer gefühlten Ewigkeit händigt uns der Direktor von Little Lilies die Preise aus. Ich starre während der gesamten Zeremonie auf meine Füße, obwohl der Sitz in der ersten Reihe, den ich auf keinen Fall sehen will, jetzt leer ist. Zum Glück. Trotzdem sind meine Beine bleischwer, als wir das Auditorium verlassen.
»Gar nicht schlecht für das erste Mal, findest du nicht?«, fragt Keds, während wir auf Q warten. »Und mit nur einem Abend Vorbereitungszeit!«
»Ja.«
»Hey! Man könnte meinen, wir seien Letzte geworden!«
»Ich bin müde.«
»Ich auch. Ich habe letzte Nacht kein Auge zugetan.«
»Letzte Nacht? Ich habe schon seit letztem Frühling nicht geschlafen.«
Er grinst. »Wieso braucht Q bloß so lange?«
»Hallo, ihr zwei.«
Mein Magen rutscht auf Kniehöhe. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Keds und Kunal einander abklatschen. »Kunal!«, begrüßt er ihn. »Ich wusste, dass du das warst. Und, wie gefiel es dir?«
Ich spüre seinen kühlen Blick auf mir ruhen und starre weiter auf das blaue Teppichmuster. »Gut, dass ihr beiden die Fahne für Vox Pop hoch haltet«, höre ich ihn sagen.
»Wir geben uns Mühe«, antwortet Keds. »Sitzt du oft in der Jury?«
»Zum Glück nicht. Ich war nur als Vertretung da.«
»Wirklich? Wir auch!«
»Ist das Zufall oder Schicksal?«
Ich blicke auf. Seine Augen funkeln. »Geht ihr jetzt zurück zur Schule?«
»Ja«, sagt Keds. »Wir warten nur auf Q. Ich habe keine Ahnung, wohin sie verschwunden ist.«
»Bestimmt unterhält sie sich mit alten Kollegen«, lächelt Kunal. »Egal, ich will euch nicht aufhalten. Nochmals herzlichen Glückwunsch. Wir sehen uns. Tschüss, Ani.«
Mechanisch greife ich seine ausgestreckte Hand. Seine Finger umschließen meine. Dabei steckt er mir zu meiner großen Überraschung ein Stückchen Papier zu.
»Wie nett von ihm, dass er vorbeigekommen ist, findest du nicht, Ani?«, will Keds wissen. »Hey, Ani … alles klar? Stimmt etwas nicht?«
»Anisha! Kedar!« Ich bin froh, dass in diesem Moment die gute alte Q auf uns zukommt. »Es tut mir leid. Die Koordinatorin, Mrs Singh, wollte noch kurz mit mir sprechen«, erklärt sie. »Kommt, Kinder, lasst uns gehen!«
Wir folgen Q die Treppe hinunter. In der Hand halte ich das Stückchen Papier, es brennt mir fast ein Loch in die Haut. Als wir an einem Mülleimer vorbeikommen, überlege ich kurz, es wegzuwerfen. Ich sollte es einfach hineinwerfen, ohne es eines Blickes zu würdigen. Stattdessen umschließe ich es fester. Während sich Q und Keds über den geschicktesten Rückweg zur Schule unterhalten, entfalte ich langsam das Papier.
»9810058625« steht da.
Der Taxifahrer hat während der Wartezeit Zeitung gelesen und zu Mittag gegessen – ein ziemlich aufwändiges
Mahl. Ein beißender Geruch nach Mango Pickles, grünen Chilis und angestauter Hitze empfängt uns. Der Vordersitz ist mit Chapatti -Krümeln übersät. Geistesgegenwärtig bietet Keds Q den Vordersitz an, damit sie es schön bequem
Weitere Kostenlose Bücher