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Delia 1 - Delia, die weisse Indianerin

Delia 1 - Delia, die weisse Indianerin

Titel: Delia 1 - Delia, die weisse Indianerin
Autoren: Marie Louise Fischer
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noch?“
    Katinka holte ein Schemelchen herbei, auf das sich Delia in dem schmalen Gang zwischen den Betten setzte, löste ihre Zöpfe auf, kämmte das dichte, dunkle Haar. Dann nahm Katinka einen Milchtopf, stürzte ihn Delia über den Kopf und begann – schnippschnapp, schnippschnapp – zu schneiden. Links und rechts fielen die schönen braunen Locken zu Boden. Unwillkürlich stieß Delia einen tiefen Seufzer aus.
    „Rühr dich nicht!“ mahnte Katinka. „Sonst gibt es Ecken!“
    Zum Glück trugen die Jungen damals nicht so kurz geschnittenes Haar wie heute, sondern sie ließen es bis in den Nacken hinein wachsen, manche sogar bis auf die Schultern, und so sah Delia immer noch ganz manierlich aus, als Katinka mit ihrem Werk zu Ende war.
    „Bei Kaspar schneide ich es kürzer“, sagte sie, „damit es eine Weile vorhält. Aber bei dir habe ich das nicht übers Herz gebracht!“
    Delia schüttelte ihre kurzen Locken, fuhr mit beiden Händen hinein. „Na ja“, sagte sie, „es ist ein ganz angenehmes Gefühl. Und mit dem Kämmen und Bürsten werde ich auch nicht mehr soviel Plage haben!“
    „Willst du dich nicht im Spiegel sehen?“ Katinka hielt der Freundin den kleinen, halbblinden Spiegel hin.
    Delia zog ihrem eigenen Bild eine Grimasse, und jetzt sah sie wirklich wie ein Junge aus; mit den kurz geschnittenen Locken, den winzigen, dunklen Sommersprossen auf der frechen, kleinen Nase, dem breiten, roten Mund. Nur die langen, schön gebogenen Augenwimpern gaben ihrem Gesicht noch etwas Mädchenhaftes.
    „Nun, wie gefällst du dir?“ fragte Katinka gespannt.
    „Ich denke, ich werde mich dran gewöhnen“, gab Delia zur Antwort. „Jedenfalls Dank für alles!“
    Katinka drückte ihr einen Strohbesen in die Hand. „Kehr die Haare hinaus“, sagte sie. „Ich werde dein schönes Kleid und die Unterröcke zusammenlegen und verpacken, damit sie die Fahrt nach Hamburg gut überstehen!“
    Delia kehrte die Haare zur Tür hinaus, dann stützte sie sich auf den Besenstiel und sah Katinka zu, die mit ihrem schönen karierten Kleid so liebevoll umging, als könnte sie sich gar nicht davon trennen.
    „Wenn du willst“, sagte Delia, „kannst du es behalten!“
    Katinka riss die grünen Augen auf. „Du willst es mir ... schenken?“
    „Das nun doch nicht“, sagte Delia, „aber tauschen. Ich brauch’s nicht mehr ... jedenfalls in absehbarer Zeit. Wenn du mir noch ein paar warme Sachen verschaffst …“
    „Alles, was du willst!“ rief Katinka begeistert. „Auch wenn ich es zusammenklauen müsste.“ Sie sah, dass Delia ein erschrockenes Gesicht machte, und sagte rasch: „Das war nur Spaß! Wir haben eine Menge alter Stricksachen. Darunter wird sich sicher etwas für dich finden ... und ... und ... und ...“
    „Du wirst es schon richtig machen“, sagte Delia. „Bis Hamburg haben wir ja noch vierzehn Tage Zeit!“
    Die Wagentür, die Delia nach dem Kehren wieder geschlossen hatte, wurde aufgerissen. Kaspar steckte seinen Kopf herein: „Wo bleibst du denn, Ka ...“ Als er die verwandelte Delia entdeckte, blieb ihm das Wort buchstäblich im Hals stecken.
    Die beiden Mädchen lachten über sein fassungsloses Gesicht.
    „Na, so etwas“, sagte er endlich. „Wenn ihr nicht verrückt seid, dann weiß ich es nicht!“
    Delia machte eine kleine Verbeugung. „Gefall ich Ihnen so, Monsieur?“
    „Wie eine Vogelscheuche siehst du aus“, brummte der Junge.
    „Dann schau doch selbst mal in den Spiegel“, verteidigte Katinka die Freundin.
    „Ich habe keine Zeit für eure Späße! Wir sind schon beim Abbauen! Ich wollte bloß fragen, ob mein gnädiges Fräulein Schwester vielleicht belieben möchte …“
    „Red nicht so dumm daher! Wir kommen ja schon!“
    Die beiden Mädchen sprangen hinter Kaspar her das Treppchen hinunter und ins Freie. Der Mops richtete sich auf, als wollte er ihnen folgen, überlegte es sich dann aber doch anders und rollte sich auf dem Bett behaglich zusammen.
    Draußen war inzwischen die Nacht hereingebrochen. Die Lichter rund um die Manege waren gelöscht; nur die Lampen vor den Wohnwagen verbreiteten ein schwaches Licht. Die Zirkusleute waren damit beschäftigt, den Aufbruch vorzubereiten. Delia hatte den Eindruck, als ob viele Gestalten wild und planlos durcheinander rannten. Aber nach einer Weile merkte sie, dass jeder seine bestimmte Aufgabe hatte und genau wusste, was er tat.
    Sie hielt sich immer dicht an Katinka, ließ sich von ihr Anweisungen geben, versuchte ihr nach
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