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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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werden. »Was denn für ein Zwischenfall?«, fragt er und schnalzt mit seinem Kaugummi. Er hängt sein riesiges Schnellfeuergewehr auf die andere Schulter.
    Alex beugt sich vor, so dass der Wachmann und er nur noch einen knappen Meter durch das Tor voneinander entfernt sind. Er senkt die Stimme, aber ich kann ihn immer noch hören. »Ihre Lieblingsfarbe ist die Farbe des Sonnenaufgangs«, sagt er.
    Der Wachmann starrt mich noch einen Sekundenbruchteil länger an, dann macht er uns ein Zeichen. »Treten Sie zurück, während ich das Tor öffne«, sagt er. Er verschwindet in einem Wachhäuschen, das dem von Alex bei den Labors ähnelt, und nach ein paar Sekunden öffnet sich das elektronisch gesteuerte Tor schwankend nach innen. Alex und ich gehen über den Hof auf den Eingang des Gebäudes zu. Mit jedem Schritt ragt die bedrohliche Silhouette der Grüfte etwas weiter auf. Der Wind nimmt zu, wirbelt Staub über den kahlen Hof und lässt eine einsame Plastiktüte über das Gras purzeln und hüpfen. Die Luft ist aufgeladen wie vor einem Gewitter – mit einer wahnsinnigen vibrierenden Energie – und ich fürchte, jeden Moment könnte etwas Unglaubliches passieren, die ganze Welt plötzlich in Chaos versinken. Ich würde alles dafür geben, dass Alex sich umdrehte, mich anlächelte und mir seine Hand entgegenstreckte. Aber das ist natürlich nicht möglich. Er geht schnell vor mir her, den Rücken durchgedrückt, die Augen geradeaus gerichtet.
    Ich weiß nicht, wie viele Leute in den Grüften inhaftiert sind. Alex schätzt, es sind ungefähr dreitausend. Dank des Heilmittels gibt es kaum Kriminalität in Portland, aber gelegentlich stehlen oder zerstören Leute etwas oder widersetzen sich der Staatsgewalt. Dann gibt es noch die Widerständler und Sympathisanten. Wenn sie nicht augenblicklich hingerichtet werden, lässt man sie in den Grüften verrotten.
    Die Grüfte dienen gleichzeitig als psychiatrische Anstalt, und wenn es auch nicht viel Verbrechen gibt, haben wir trotz des Heilmittels genau wie alle anderen unseren Prozentsatz an Verrückten. Alex würde sagen, wegen des Heilmittels, und es stimmt, dass frühe oder misslungene Eingriffe zu psychischen Problemen führen können. Außerdem sind manche Leute nach dem Eingriff einfach nicht mehr dieselben. Sie werden katatonisch, starren und sabbern nur noch, und wenn ihre Familien es sich nicht leisten können, sie zu betreuen, werden auch sie in die Grüfte abgeschoben, wo sie vor sich hin vegetieren und irgendwann sterben.
    Zwei riesige Doppeltüren führen in die Grüfte. Durch kleine, vermutlich kugelsichere Glasscheiben, die verdreckt sind und an denen tote Insekten kleben, erhält man einen verschwommenen Blick auf den langen, dunklen Flur dahinter und mehrere flackernde Lampen. Ein Schild, von Regen und Wind verzogen, hängt an der Tür. Darauf steht in großer Schrift: ALLE BESUCHER MÜSSEN SICH UMGEHEND AN DER ANMELDUNG REGISTRIEREN .
    Alex zögert nur den Bruchteil einer Sekunde lang. »Bereit?«, fragt er noch einmal, ohne sich umzudrehen.
    Â»Ja«, würge ich hervor.
    Der Gestank, der uns beim Eintreten entgegenschlägt, katapultiert mich beinahe zurück – zur Tür hinaus, durch die Zeit, zurück in die vierte Klasse. Es ist der Gestank Tausender ungewaschener, dicht gedrängter Körper, überlagert durch den stechenden Geruch von Desinfektions- und Reinigungsmitteln. Es riecht feucht – nach Fluren, die nie richtig trocken sind, lecken Rohren, Schimmel, der hinter Mauern wächst und in all den kleinen verwinkelten Ecken, die Besucher nie zu sehen bekommen. Die Anmeldung ist links von uns und die Frau, die hinter einer vermutlich ebenfalls kugelsicheren Glasscheibe sitzt, trägt einen Mundschutz. Ich kann es ihr nicht verdenken.
    Als wir uns ihrem Schreibtisch nähern, sieht sie auf und spricht Alex seltsamerweise mit Namen an.
    Â»Alex«, sagt sie und nickt knapp. Ihr Blick huscht zu mir. »Wer ist das?«
    Alex wiederholt seine Geschichte über den Zwischenfall bei der Evaluierung. Er kennt die Frau offenbar recht gut, denn er benutzt mehrmals ihren Vornamen. Sie tippt unsere Namen in einen alten Computer ein und winkt uns durch zur Sicherheitskontrolle. Auch dort begrüßt Alex das Personal und ich bewundere ihn für seine abgebrühte Art. Es fällt mir schon ziemlich

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