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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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behalten?«
    Jetzt setze ich mich ganz auf und rutsche an die Bettkante. Es gefällt mir nicht, wie sie mich ansieht. Ich bin misstrauisch. »Was ist los, Hana?«
    Â»Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«, wiederholt sie.
    Ich muss daran denken, wie ich am Tag der Evaluierung neben ihr vor den Labors stand und die Sonne auf uns runterknallte, wie sie ihren Mund an mein Ohr hielt, um etwas über Glück und Unglück zu flüstern. Plötzlich habe ich Angst um sie, vor ihr. Aber ich nicke und sage: »Ja, natürlich.«
    Â»Gut.« Sie senkt den Blick, fummelt einen Augenblick am Saum ihrer Shorts herum, dann holt sie tief Luft. »Ich habe letzte Woche so einen Typen kennengelernt …«
    Â»Was?« Ich falle beinahe vom Bett.
    Â»Keine Panik.« Sie hebt eine Hand. »Er ist geheilt, okay? Er arbeitet für die Stadt. Als Zensor.«
    Mein Herzschlag verlangsamt sich und ich lehne mich wieder gegen ihre Kissen. »Okay. Und?«
    Â»Und«, sagt Hana und zieht das Wort lang, »er saß mit mir im Wartezimmer. Als ich bei der Physiotherapie war.« Hana hat sich im Herbst den Knöchel verstaucht und muss immer noch einmal die Woche zur Physiotherapie. »Und wir sind ins Gespräch gekommen.«
    Sie schweigt. Ich kann nicht so recht erkennen, worauf die Sache rausläuft oder was das mit der Musik zu tun haben soll, die sie gehört hat, also warte ich einfach darauf, dass sie weiterspricht.
    Das tut sie schließlich auch. »Wie auch immer, ich hab ihm von den Abschlussprüfungen erzählt und dass ich unbedingt auf die University of Southern Maine will, und er erzählte mir von seiner Arbeit – was er jeden Tag so macht, verstehst du. Er programmiert die Zugangsbeschränkungen im Netz, damit Leute nicht einfach irgendetwas schreiben, selbst etwas reinstellen oder falsche Informationen abgeben können, ›aufrührerische Ansichten‹« – sie setzt das in imaginäre Anführungsstriche und verdreht die Augen – »und lauter so Zeug. Er ist so was wie ein Intranet-Wachmann.«
    Â»Aha«, sage ich. Am liebsten würde ich Hana auffordern, endlich zum Punkt zu kommen – ich weiß von den Sicherheitsbeschränkungen im Intranet, das wissen alle –, aber dann würde sie nur ganz verstummen.
    Sie holt tief Luft. »Aber er programmiert nicht nur die Sicherheitsvorkehrungen. Er sucht auch nach Lücken, durch die zum Beispiel Einbrüche geschehen. Vor allem Hacker durchbrechen die gesamten Sicherungshürden und schaffen es, ihren eigenen Kram zu posten. Die Regierung nennt so was Springer – Webseiten, die vielleicht eine Stunde oder ein, zwei Tage zugänglich sind, bevor sie entdeckt werden, Webseiten voll mit unerlaubtem Kram – Meinungen, Foren, Videoclips und Musik.«
    Â»Und du hast so eine Seite gefunden.« Ein flaues Gefühl hat sich in meinem Magen eingenistet. In meinem Hirn blitzen immer wieder Wörter auf wie eine blinkende Neonreklame: illegal, Verhör, Überwachung. Hana.
    Ihr scheint nicht aufzufallen, dass ich völlig verstummt bin. Plötzlich ist sie wieder lebhaft, so ungestüm und energisch wie sonst, und sie beugt sich nach vorn und sprudelt hervor: »Nicht nur eine. Dutzende. Es gibt sie tonnenweise da draußen, man muss nur wissen, wie man suchen muss. Wo man suchen muss. Es ist unglaublich, Lena. All diese Leute – sie müssen übers ganze Land verteilt sein –, die sich durch die Schleifen und Lücken stehlen. Du solltest mal lesen, was die Leute schreiben. Über … über das Heilmittel. Es sind nicht nur die Invaliden, die nicht daran glauben. Es gibt Leute hier, überall, die nicht glauben …« Ich starre sie so durchdringend an, dass sie den Blick senkt und das Thema wechselt. »Und du solltest mal die Musik hören. Unglaubliche, erstaunliche Musik, so was hast du noch nie gehört, die reißt einem beinahe den Kopf weg. Da willst du nur schreien, auf und ab springen, Dinge kaputt schlagen, weinen …«
    Hanas Zimmer ist groß – fast doppelt so groß wie mein Zimmer zu Hause –, aber es kommt mir vor, als rückten die Wände immer näher. Falls die Klimaanlage noch an ist, spüre ich sie zumindest nicht. Die Luft fühlt sich heiß und schwer an, wie feuchter Atem, und ich stehe auf und gehe ans Fenster. Hana bricht schließlich ab. Ich versuche das Fenster aufzuschieben, aber

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