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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Great Diamond Island vorbeiläuft, hinterm Horizont versinkt und weit bis in andere Teile der Welt gelangt. Ich rappele mich auf und stürze hinter ihm her. Die Bojen wippen gut fünf Meter vor uns und das Wasser reicht mir bis zu den Knien, dann zu den Schenkeln und dann bis hoch an die Taille und zum Schluss müssen wir beide halb rennen und halb schwimmen und rudern dabei heftig mit den Armen. Ich kann weder atmen noch denken oder etwas anderes tun als lachen und platschen und mich auf die leuchtend roten wippenden Bojen konzentrieren, mich aufs Gewinnen konzentrieren, aufs Gewinnen, ich muss gewinnen, und als wir nur noch einen knappen Meter entfernt sind und er immer noch in Führung liegt und meine Beine sich bleiern anfühlen, meine Kleider mich hinabziehen, als hätte ich Steine in den Taschen, werfe ich mich, ohne nachzudenken, nach vorn auf ihn, drücke ihn unter Wasser, spüre, wie mein Fuß seinen Oberschenkel berührt, als ich mich von ihm abstoße und mich ausstrecke, um an der Boje abzuschlagen. Das Plastik flutscht unter meiner Hand weg. Wir müssen ungefähr vierhundert Meter vom Strand entfernt sein, aber weil Ebbe ist, kann ich noch stehen, das Wasser geht mir bis zur Brust. Ich reiße triumphierend die Arme hoch, als Alex prustend wieder hochkommt und den Kopf schüttelt, so dass Wasser windmühlenartig aus seinen Haaren schießt.
    Â»Gewonnen«, stoße ich hervor.
    Â»Du hast beschissen«, sagt er, schiebt sich ein paar Schritte weiter vor und lässt sich dann mit beiden Armen nach hinten fallen, lehnt sich über das Seil, das zwischen den Bojen verläuft. Er drückt seinen Rücken durch, so dass sein Gesicht in den Himmel gerichtet ist. Sein T-Shirt ist völlig durchnässt und Wasser tropft von seinen Wimpern und läuft über seine Wangen.
    Â»Keine Regeln«, sage ich, »also kann man nicht bescheißen.«
    Grinsend wendet er sich mir zu. »Ich hab dich sowieso gewinnen lassen.«
    Â»Ja, sicher.« Ich spritze ein bisschen Wasser auf ihn und er hebt die Hände, als wollte er sich ergeben. »Du bist einfach ein schlechter Verlierer.«
    Â»Ich hab nicht viel Übung darin.« Da ist dieses Selbstvertrauen wieder, diese Gelassenheit, die einen halb wahnsinnig machen kann, der schräg gelegte Kopf und das Lächeln. Aber heute macht es mich nicht wahnsinnig. Heute gefällt es mir, heute habe ich das Gefühl, als färbte es irgendwie auf mich ab, so, als müsste ich nur oft in seiner Nähe sein und schon würde ich mich nie wieder unbehaglich, ängstlich oder unsicher fühlen.
    Â»Schon klar.« Ich verdrehe die Augen und schlinge einen Arm um die Boje, genieße es, wie die Strömung um meine Brust plätschert, genieße das merkwürdige Gefühl, bekleidet draußen im Meer zu sein, genieße, wie mein T-Shirt an mir klebt. Bald kommt die Flut und das Wasser wird zurückströmen. Wir müssen langsam zurück zum Strand schwimmen, was ganz schön anstrengend werden wird.
    Aber das ist mir egal. Mir ist alles egal – ich mache mir keine Gedanken, wie in aller Welt ich Carol erklären soll, warum ich klatschnass nach Hause komme, mit Seetang an meinem Rücken und dem Geruch nach Salz in meinen Haaren, oder wie lange es noch bis zur Ausgangssperre dauert oder warum Alex überhaupt so nett zu mir ist. Ich bin einfach nur glücklich, ein reines, brodelndes Gefühl. Hinter den Bojen ist die Casco Bay dunkelrot, die Wellen schaumgekrönt. Es ist verboten, über die Bojen hinauszuschwimmen – hinter den Bojen liegen die Inseln mit den Wachtürmen und dahinter ist das offene Meer, das Meer, das zu unkontrollierten Orten führt, zu Orten voller Krankheit und Angst –, aber in diesem Moment stelle ich mir vor, einfach unter dem Seil durchzutauchen und hinauszuschwimmen.
    Links von uns sind die leuchtend weißen Umrisse des Laborkomplexes zu sehen und dahinter, in der Ferne, Old Port, dessen Holzstege wirken wie riesige hölzerne Tausendfüßler. Rechts von uns liegen Tukey’s Bridge und die lange Reihe aus Wachhäuschen, die die Brücke säumen und sich dann weiter die Grenze entlangziehen. Alex bemerkt meinen Blick.
    Â»Schön, nicht wahr?«, fragt er.
    Die Brücke ist graugrün gefleckt, von Spritzwasser und Algen überzogen, und sieht aus, als lehnte sie sich leicht gegen den Wind. Ich rümpfe die Nase. »Sie ist

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