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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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leiser Schlag auf das Tamburin den Takt angab. Dann folgte plötzlich ein lang ausgehaltener viertöniger Akkord; ich glaube, es war ein Terzquartsextakkord, zu welchem auf den Tamburins mit den Fingerspitzen getrillert wurde, erst pianissimo, dann piano, stärker, immer stärker bis zum Fortissimo, und dann fielen die Flöten in ein zweistimmiges Tonstück ein, für welches keiner unserer musikalischen Namen paßt, dessen Wirkung aber doch eine sehr angenehme und befriedigende war.
    Am Schlusse dieses Stückes trat Mir Scheik Khan aus dem Innern des Gebäudes heraus. Zwei Scheiks begleiteten ihn. Der Eine trug ein hölzernes Gestell vor ihm her, welches einem Notenpulte glich; dieses wurde in die Mitte des Hofes gesetzt. Der Andere trug ein kleines Gefäß mit Wasser und ein anderes, offenes, rundes, in welchem sich eine brennende Flüssigkeit befand. Diese beiden Gefäße wurden auf das Pult gestellt, zu welchem Mir Scheik Khan trat.
    Er gab mit der Hand ein Zeichen, auf welches die Musik von Neuem begann. Sie spielte eine Einleitung, nach welcher die Priester mit einer einstimmigen Hymne einfielen. Leider konnte ich mir den Inhalt derselben nicht notiren, da dies aufgefallen wäre, und der eigentliche Wortlaut ist meinem Gedächtnisse entschwunden. Sie war in arabischer Sprache verfaßt und forderte zur Reinheit, zum Glauben und zur Wachsamkeit auf.
    Nach derselben hielt Mir Scheik Khan eine kurze Ansprache an die Priester. Er schilderte in kurzen Worten die Nothwendigkeit, seinen Wandel von jeder Sünde rein zu halten, Gutes zu thun an allen Menschen, seinem Glauben stets treu zu bleiben und denselben gegen alle Feinde zu vertheidigen.
    Dann trat er zurück und setzte sich zu uns unter den Weinstock. Jetzt brachte einer der Priester einen lebenden Hahn herbei, welcher mittels einer Schnur an das Pult befestigt wurde; zur Linken von ihm wurde das Wasser und zur Rechten das Feuer gestellt.
    Die Musik begann wieder. Der Hahn hockte in sich gekehrt am Boden; die leisen Klänge der Flöten schien er gar nicht zu beachten. Da wurden die Töne stärker, und er lauschte. Den Kopf aus dem Gefieder ziehend, blickte er sich mit hellen, klugen Augen im Kreise um und bemerkte dabei das Wasser. Schnell fuhr er mit dem Schnabel in das Gefäß, um zu trinken. Dieses freudige Ereigniß wurde durch ein helles, jubelndes Zusammenschlagen der Tamburins verkündet. Dies schien das musikalische Interesse des Thieres zu erregen. Der Hahn krümmte den Hals und horchte aufmerksam. Dabei bemerkte er, daß er sich in einer gefahrvollen Nähe von der Flamme befand. Er wollte sich zurückziehen, konnte aber nicht, da er festgehalten wurde. Darüber ergrimmt, richtete er sich auf und stieß ein lautes »Kik-ri-kih!« hervor, in welches die Flöten und Tamburins einfielen. Dies schien in ihm die Ansicht zu erwecken, daß man es auf einen musikalischen Wettstreit abgesehen habe. Er wandte sich muthig gegen die Musikanten, schlug die Flügel und schrie abermals. Er erhielt dieselbe Antwort, und so entwickelte sich ein Tongefecht, welches den Vogel schließlich so erzürnte, daß er unter einem wütenden Gallicinium sich losriß und in das Innere des Grabes floh.
    Die Musik begleitete diese Heldenthat mit dem allerstärksten Fortissimo; die Stimmen der Priester fielen jubelnd ein, und nun folgte ein Finale, welches allerdings ganz geeignet war, sowohl die Musikanten als auch die Sänger zu ermüden. Am Schluß des Stückes küßten die Kawals ihre Instrumente.
    Sollte dieses laute, stürmische Finale auf irgend eine Weise einmal Gelegenheit gegeben haben, die Dschesiden mit den unlautern Cheragh Sonderan, oder wie es in kurdischer Sprache lautet, Tscherah sonderahn zu verwechseln? Das religiöse Gefühl eines Christen sträubt sich allerdings gegen die Vorführung dieses Vogels, aber etwas Immoralisches habe ich dabei nicht beobachten können.
    Jetzt sollte der Verkauf der Kugeln erfolgen, von denen ich bereits gesprochen habe. Vorher aber traten die Priester herbei und machten Ali Bey und mir ein Geschenk davon. Er erhielt sieben und ich sieben. Sie waren vollständig rund und mit einem arabischen Worte versehen, welches man mit einem spitzigen Instrumente eingegraben hatte. Von meinen sieben Kugeln zeigten vier das Wort ›El Schems‹, die Sonne.
    Der Verkauf fand im äußeren Hofe Statt, während im Innern des ummauerten Raumes die Instrumente und der Gesang noch ertönten. Ich verließ das Heiligthum. Ich dachte, daß das Thal von der Höhe

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