Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
höchlichst für die ihr erwiesene, nie geahnte Ehre und ging mit ihrem ›Alfenidegeschirr‹ in die Küche. Auch der Agha erhob sich.
»Weißt Du, Herr, wohin ich jetzt gehen werde?« frug er.
»Ich werde es wohl hören.«
»Zum Mutesselim. Er soll erfahren, was Du für ein vornehmer Emir bist, und wie Dich der Aufseher seines Palastes behandelt hat.«
Er vollendete sein dienstliches Äußere dadurch, daß er sich die Reste der zerlassenen Butter, welche er mit Mersinah allein genossen hatte, aus dem Schnurrbart strich, und brach auf. Jetzt waren wir allein.
»Darf ich reden, Sir?« frug jetzt Lindsay.
»Ja, Master.«
»Kleider kaufen!«
»Jetzt?«
»Ja.«
»Rothkarrirte?«
»Natürlich!«
»So wollen wir zum Bazar gehen!«
»Aber ich nicht reden! Ihr müßt kaufen, Sir. Hier Geld!«
»Kaufen wir uns nur Kleider?«
»Was noch?«
»Einiges Geschirr, welches wir brauchen und klugerweise dem Agha oder der Haushälterin zum Geschenk machen können. Sodann Tabak, Kaffee und ähnliche Dinge, die sich nicht gut entbehren lassen.«
»Well; bezahle Alles!«
»Wir werden uns zunächst Eurer Börse bedienen und sodann mit einander abrechnen.«
»Pshaw! Bezahle Alles! Abgemacht!«
»Gehe ich mit?« frug Mohammed.
»Wie Du willst. Nur denke ich, daß Du besser thust, Dich so wenig wie möglich sehen zu lassen. In Spandareh hat man Dich auch als einen Haddedihn erkannt, gar nicht gerechnet, daß Du Deinem Sohne sehr ähnlich siehst, was mir auch der dortige Dorfälteste versicherte.«
»So bleibe ich zurück!«
Wir brannten unsere Dschibuks an und gingen. Der Hausflur war mit Rauch erfüllt, und in der Küche hustete die ›Myrte‹. Als sie uns bemerkte, kam sie für einen Augenblick hervor.
»Wo sind unsere Leute?« frug ich sie.
»Bei den Pferden. Du willst gehen?«
»Wir begeben uns nach dem Bazar, um Einiges einzukaufen. Laß Dich nicht stören, Du Hüterin der Küche. Dort läuft Dir das Wasser über.«
»Laß es laufen, Herr. Das Essen wird dennoch fertig!«
»Das Essen? Kochst Du es in diesem großen Kessel?«
»Ja.«
»So ist es jedenfalls nicht für Dich und Selim Agha?«
»Nein. Ich habe für die Esirler zu kochen.«
»Ah! Die sich hier nebenan befinden?«
»Ja.«
»Gibt es viele solche Unglückliche in dem Hause?«
»Noch nicht zwanzig.«
»Die sind alle aus Amadijah?«
»O nein. Es sind mehrere arnautische Soldaten, die sich vergangen haben, einige Chaldäer, ein Kurde, ein paar Einwohner von Amadijah und auch ein Araber.«
»Ein Araber? Araber gibt es hier ja gar nicht!«
»Er wurde von Mossul gebracht.«
»Was bekommen sie zu essen?«
»Brotfladen, die ich backe, und dann des Mittags oder des Nachmittags, ganz wie es mir paßt und gefällt, dieses warme Essen.«
»Worin besteht es?«
»Mehl in Wasser gequirlt.«
»Wer bringt es ihnen?«
»Ich selbst. Der Sergeant öffnet mir die Löcher. Hast Du schon einmal ein Gefängniß gesehen, Emir?«
»Nein.«
»Wenn Du es sehen willst, so darfst Du es mir nur sagen; ich nehme Dich mit.«
»Der Sergeant würde es mir nicht erlauben!«
»Er erlaubt es Dir, denn ich bin seine Herrin.«
»Du?«
»Ja. Bin ich nicht die Herrin seines Agha?«
»Das ist wahr! Ich werde mir einmal überlegen, ob es sich für die Würde eines Emir schickt, ein Gefängniß zu besuchen und Denen, welche dies erlauben, ein gutes Bakschisch zu geben.«
»Es schickt sich, Herr; es schickt sich sehr. Du wirst vielleicht Deine Gnade leuchten lassen auch über die Gefangenen, daß sie mir einige Speisen und auch Tabak abkaufen können, was sie sonst nicht haben!«
Nichts konnte mir lieber sein als die Erfahrung, welche ich hier machte; aber ich war so vorsichtig, eingehendere Fragen jetzt noch zu vermeiden, da ich durch dieselben leicht hätte Verdacht erregen können. Halef, der Buluk Emini und der Kurde aus Spandareh wurden gerufen, uns zu begleiten; dann gingen wir.
Die Bazars waren wie ausgestorben. Kaum daß wir eine Kaffeeschenke fanden, wo uns ein Trank gereicht wurde, der mir sehr nach gebrannten Gerstenkörnern schmeckte. Dort erfuhren wir auch, was die Ursache der jetzigen Leblosigkeit in Amadijah war. Trotz der hohen und freien Berge dieser Stadt ist sie nämlich außerordentlich ungesund, so daß sich bei Anbruch der wärmeren Jahreszeit schleichende Fieber erzeugen. Dann verlassen die Einwohner den Ort und begeben sich in die benachbarten Wälder, um dort in Sommerwohnungen zu leben, welche Jilaks genannt werden.
Nachdem wir den
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