Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Lande von Würdenträgern und vornehmen Männern getragen werden. Eine solche Kopfbedeckung hat oft vier Fuß im Durchmesser.
»So, nun ist ein kurdischer Großkhan fertig!«
»Vortrefflich! Herrlich! Schönes Abenteuer! Amad el Ghandur befreien! Alles bezahlen; sehr gut bezahlen!«
»Ist dies Euer Ernst, Sir?«
»Warum nicht Ernst?«
»Ich weiß allerdings, daß Ihr sehr wohlhabend seid und das zur richtigen Zeit auch anzuwenden wißt – – –«
Er blickte mich schnell und forschend an und frug dann:
»Wollt Geld haben?«
»Ja,« antwortete ich einfach.
»Well; sollt es bekommen! Für Euch?«
»Nein. Ich hoffe, daß Ihr mich nicht von einer solchen Seite kennen gelernt habt!«
»Ist richtig, Sir! Also für wen?«
»Für den Mutesselim.«
»Ah! Warum? Wozu?«
»Dieser Mann ist sehr arm. Der Sultan schuldet ihm seit elf Monaten sein Gehalt. Aus diesem Grunde hat er jedenfalls das bekannte System aller türkischen Beamten angewandt und die hiesige Bewohnerschaft so ziemlich ausgesaugt. Nun hat Niemand mehr etwas, und kein Mensch kann ihm borgen. Deßhalb bringt ihn mein Besuch in große Verlegenheit. Er muß mich gastlich empfangen und besitzt die dazu nöthigen Mittel nicht. Darum hat er sich einen Hammel und verschiedenes Andere geborgt und läßt mich unter der Hand fragen, ob ich reich genug bin, ihm fünfhundert Piaster zu leihen. Das ist nun allerdings ganz türkisch gehandelt, und auf das Zurückerstatten darf man nicht rechnen. Da es aber für uns sehr nöthig ist, eine freundliche Gesinnung in ihm zu erwecken, so habe ich beschlossen – – –«
Er unterbrach mich mit einer schnellen Handbewegung.
»Gut! Sollt eine Hundertpfundnote haben!«
»Das ist zu viel, Sir! Das wären ja nach dem Kurse von Konstantinopel elftausend Piaster! Ich will ihm fünfhundert Piaster geben und ersuche Euch, dieselbe Summe hinzuzufügen. Er kann damit zufrieden sein.«
»Tausend Piaster! Zu wenig! Habe ja Araber-Scheiks seidenes Gewand geschenkt! Möchte ihn auch sehen. Wenn mit darf, dann Alles bezahlen; Ihr nichts geben!«
»Mir soll es recht sein.«
»So sagt Agha, er soll uns machen lassen!«
»Und was werden wir machen?«
»Unterwegs Geschenk kaufen; Geld hinein stecken.«
»Aber nicht zuviel, Sir!«
»Wie viel? Fünftausend Piaster?«
»Zweitausend ist mehr als genug!«
»Well; also zweitausend! Fertig!«
Ich kehrte zu Selim Agha zurück.
»Sage dem Commandanten, daß ich mit einem von meinen Begleitern kommen werde!«
»Wann?«
»In Kurzem.«
»Deinen Namen kennt er bereits; welchen Namen soll ich ihm noch sagen?«
»Hadschi Lindsay-Bey.«
»Hadschi Lindsay-Bey. Gut! Und die Piaster, Emir?«
»Wir bitten um die Erlaubniß, ihm ein Geschenk mitbringen zu dürfen.«
»Dann muß er Euch auch eins geben!«
»Wir sind nicht arm; wir haben Alles, was wir brauchen, und werden uns am meisten freuen, wenn er uns nichts als seine Freundschaft schenkt. Sage ihm das!«
Er ging getröstet und zufriedengestellt davon.
Bereits nach fünf Minuten saß ich mit dem Engländer zu Pferde; ich hatte ihm eingeschärft, ja kein Wort zu sprechen. Halef und der Buluk folgten uns. Den Kurden hatten wir mit dem geliehenen Gewande und vielen Grüßen nach Spandareh zurückgeschickt. Wir ritten durch die Bazars, wo wir gesticktes Zeug zu einem Feierkleide und eine hübsche Börse kauften, in welche der Engländer zwanzig goldene Medschidje zu je hundert Piaster legte. In solchen Dingen war mein guter Master Lindsay nie ein Knauser; das hatte ich zu meinem Vortheile sehr oft erfahren.
Nun ritten wir nach dem Palast des Commandanten. Vor demselben standen etwa zweihundert Albanesen in Parade, angeführt von zwei Mulasim unter dem Commando unsers tapfern Selim Agha. Er zog den Sarras und commandirte:
»Ajagda duryn dykkatli – steht genau!«
Sie gaben sich herzliche Mühe, diesem Verlangen nachzukommen, bildeten aber doch eine Art Schlangenlinie, die am Ende der Aufstellung in einen sehr gebogenen Schwanz auslief.
»Tschalghy! Islik tscharyn: – Musik! Pfeift!«
Drei Flöten begannen zu wimmern, und eine türkische Trempete forcirte einen Wirbel, der wie das Leiern einer Kaffeemühle klang.
»Daha giöre! Kuwetlirek! – lauter, stärker!«
Der gute Agha rollte dabei die Augen nach der geschwindesten Ziffer von Melzel’s Metronom; die Musikanten thaten es ihm nach, und während dieses künstlerischen und für uns sehr schmeichelhaften Empfanges ritten wir vor den Eingang, um abzusteigen. Die
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