Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
geschlagen hast, Rechenschaft!«
»Weiter!«
»Dann könnt Ihr ziehen, wohin Ihr wollt.«
»Ist dies Alles?«
»Ja. Du siehst, daß ich sehr gnädig bin!«
»Worin soll die Rechenschaft bestehen, welche ich zu geben habe?«
»In einer Entschädigung, deren Höhe wir bestimmen werden. Ich hoffe, daß Du zu meinem Verlangen Ja sagen wirst!«
»Ich sage nicht Ja, sondern Nein. Nicht Ihr seid es, sondern wir sind es, die zu fordern haben. Und übrigens ist Dein Verlangen unsinnig. Wie könnte ich eine Entschädigung zahlen, wenn Ihr uns bereits Alles genommen hättet! Wir rathen Euch, uns unangefochten ziehen zu lassen; das ist das Beste für Euch! Bedenke, daß Du Dich in meiner Hand befindest!«
»Willst Du mich ermorden lassen?«
»Nicht ermorden, sondern tödten, sobald die Bebbeh die geringste Feindseligkeit gegen uns begehen.«
»Sie würden mich rächen; das habe ich Dir bereits gesagt!«
»Sie würden Dich nicht rächen, sondern nur sich verderben. Blicke her, Scheik Gasahl Gaboya! In diesem Gewehr habe ich fünfundzwanzig Kugeln und in dieser Büchse zwei; jeder dieser zwei Revolver hat sechs Kugeln, und jede Deiner Pistolen, die Du hier in meinem Gürtel siehst, zwei; ich kann also dreiundvierzigmal schießen, ohne zu laden. Meine Gefährten sind nicht weniger gut bewaffnet, und wir befinden uns hier an einem Orte, dessen Eingang nur je ein einzelner Feind passiren könnte. Deine Leute würden daher fallen, ohne Gelegenheit zu finden, auch nur einen Einzigen von uns zu verwunden oder gar zu tödten. Folge mir und der Stimme Deines Bruders: laß uns in Frieden ziehen!«
»Soll ich mich von den Meinigen verlachen und verhöhnen lassen? Wie kannst Du so viele Kugeln in Deinem Gewehre haben! Deine Worte klingen nicht, als ob Du die Wahrheit redest.«
»Ich lüge nicht. Die Silahdar des Abendlandes sind geschickter als die Eurigen. Blicke genau her; ich will Dir diese Gewehre erklären!«
Ich zeigte ihm die Einrichtung des Repetirstutzens und der Revolver, und seine besorgter werdende Miene bewies mir, daß meine Taktik die richtige sei.
»Allah ist allmächtig!« murmelte er. »Warum gibt er nicht seinen Gläubigen die Weisheit, solche Gewehre zu verfertigen?«
»Weil sie solche Gewehre mißbrauchen würden. Allah ist allgütig und allweise; er schenkt diese Gewehre nur dem Christen, welcher sich ihrer erst dann bedient, wenn seine Langmuth nichts mehr fruchten will. Sage, was Du beschlossen hast!«
»Herr, ich habe Eure Waffen gesehen; sie sind vorzüglich, aber wir fürchten sie dennoch nicht. Trotzdem will ich Gnade über Euch ergehen lassen, wenn Ihr mir gebt, was ich jetzt fordern werde.«
»Was forderst Du?«
»Die sechs Pferde, die Ihr uns genommen habt, und den Rappen, den Du reitest. Außerdem gibst Du mir dieses Gewehr mit fünfundzwanzig Kugeln und die beiden Pistolen mit sechs Kugeln nebst den Waffen, welche Du aus meinem Zelte genommen hast. Sonst nichts!«
»Du wirst keines Deiner Pferde erhalten, da Ihr die unserigen erschossen habt; Du wirst auch den Hengst nicht bekommen, denn er ist mehr werth, als tausend Pferde der Bebbeh. Auch meine Waffen brauche ich selbst. Um Dir jedoch zu zeigen, daß ich gütig bin, sollst Du Deine Flinte und Deine Pistolen wieder erhalten, sobald ich die Überzeugung besitze, daß Ihr uns in Frieden ziehen laßt.«
»Bedenke wohl, Fremdling, was Du – – –«
Er hielt inne, denn draußen fiel ein Schuß, noch einer und noch mehrere. Ich wandte mich zu dem Engländer:
»Was gibt’s, Sir?«
»Dojan!« antwortete er.
Dieses Wort elektrisirte mich so, daß ich in der nächsten Sekunde am Eingange stand. Wirklich, es war der Windhund. Die Kurden machten Jagd auf ihn; er aber war so klug, einen Bogen zu schlagen, um sie zu umgehen; doch schien diese List keinen Erfolg zu haben. Er war so angegriffen und ermüdet, daß die kleinen, struppigen Pferde der Bebbeh eine größere Schnelligkeit entwickelten, als er. Ich bemerkte, daß er sich in der größten Gefahr befand, erschossen zu werden. Ich sprang zu meinem Pferde.
»Scheik Gasahl Gaboya, jetzt kannst Du sehen, was ein Emir aus dem Abendlande für Waffen hat. Aber hüte Dich, den Eingang zu überschreiten. Du bist mein Gefangener, bis ich wiederkehre!«
Ich bestieg das Pferd.
»Wohin, Sihdi?« frug Halef.
»Den Hund beschützen.«
»Ich reite mit!«
»Du bleibst. Sorge dafür, daß die beiden Bebbeh nicht entkommen!«
Ich ritt hinaus auf das Blachfeld und gab mit dem ausgestreckten Arme
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