Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
verwegene Sohn von Ejub Khan.«
Wir sahen sehr genau, daß der Anführer die Weinranke scharf betrachtete; dann sprach er zu seinen Leuten, deutete auf die Ranke und führte sein Pferd in das Wasser. Die Anderen folgten.
»Herr,« flüsterte der Perser in tiefer Erregung, »Du hattest in Allem Recht. Diese Leute sind abgeschickt, um mich zu ergreifen. Dort ist auch der Pendschahbaschi Omram, welcher der Bruderssohn von Saduk ist. Allah, wenn sie uns hier träfen! Dein Hund wird uns doch nicht verrathen?«
»Nein; er schweigt.«
Die Verfolger zählten dreißig Mann. Ihr Anführer war sichtbar ein wilder, verwegener Gesell. Er hielt an der Birke und lachte.
»Dusad diwwan – tausend Teufel!« rief er. »Komme her, Pendschahbaschi, und sieh, wie gut wir uns auf den Bruder Deines Vaters verlassen können. Hier ist ein neues Zeichen. Jetzt geht es am Flusse hinunter. Vorwärts!«
Sie ritten an uns vorüber, ohne uns zu bemerken.
»Nun, Mirza, bist Du überzeugt?«
»Vollständig!« antwortete er. »Aber hier ist keine Zeit zum Reden; wir müssen handeln!«
»Handeln? Was? Wir können nichts thun, als ihnen vorsichtig nachfolgen.«
Wir verließen unser Versteck und folgten den Ihlats in der Weise, daß wir für sie unsichtbar blieben. Es war sehr vortheilhaft für uns, daß sie langsam ritten. Nach einer Viertelstunde kamen sie an den Lagerplatz, von welchem aus Mohammed Emin in den Tod geritten war. Sie blieben halten, um die Spuren des Lagers zu betrachten.
Wir aber bogen nun rechts in die Gebüsche ein, wo wir so schnell als möglich vorwärts drangen. Die zu durchlaufende Strecke betrug zehn Minuten, aber schon nach fünf Minuten erreichten wir unser Lager: ich schwitzend, und der Mirza heftig keuchend. Ein einziger Blick überzeugte mich, daß Alles in Ordnung sei.
»Haltet Euch still, es nahen Feinde!« befahl der Perser; dann sprangen wir zwischen die Büsche hindurch den Berg hinab, wo wir den ausgestellten Posten trafen. Wir brauchten hier kaum eine Minute zu warten, so erschienen die Verfolger. Uns gegenüber blieben sie halten.
»Das wäre ein schöner Platz zum Lagern,« meinte der Susbaschi. »Was denkst Du, Omram?«
»Der Tag neigt sich zu Ende, Herr,« antwortete der Pendschahbaschi.
»Gut, bleiben wir hier! Wasser und Gras ist da!«
Das hatte ich nun allerdings nicht erwartet. Das war ja im höchsten Grade gefährlich für uns. Wir hatten zwar sonst alle Spuren vertilgt, aber an dem Platze, wo wir während der ersten Nacht gelagert hatten, war vom Feuer das Gras verzehrt und die Erde geschwärzt worden, und das hatten wir nicht ganz zu verbergen vermocht. Übrigens bemerkte ich, daß dort, wo Saduk das Gras niedergestampft hatte, sich dasselbe zwar bereits so ziemlich, aber doch nicht ganz erhoben hatte.
»Allah ‘l Allah! Was thun wir?« frug Ardschir-Mirza.
»Zu Dreien sind wir zu viel; wir können leicht entdeckt werden. Einer ist genug, und das will ich sein. Nehmt den Hund mit, geht zum Lager, und macht Euch kampfbereit. WennIhr diesen Revolver knallen hört, so könnt Ihr bleiben; hört Ihr aber die Stimme dieses Stutzen, so bin ich in Gefahr, und Ihr müßt mir zu Hülfe eilen. Dann mag Hadschi Halef Omar mir meine schwere Büchse mitbringen.«
»Emir, ich kann Dich in dieser Gefahr nicht verlassen!«
»Ich bin hier sicherer, als es die Deinigen dort oben sind. Gehe! Du hinderst mich!«
Er stieg mit seinem Diener und dem Hunde die Steilung empor, und ich blieb allein zurück. Das war mir lieb und viel bequemer, als wenn ich von einem Unerfahrenen belästigt worden wäre. Ich kam ja nur dann in Gefahr, wenn es dem Susbaschi einfiel, das Gebüsch durchsuchen zu lassen; aber dieser persische Rittmeister war kein Indianerhäuptling: das sah ich an der ganzen nachlässigen Art, wie er die Lagerung vor sich gehen ließ.
Die Pferde wurden abgesattelt und freigelassen. Sie rannten sofort zum Wasser und zerstreuten sich nach Belieben. Jedenfalls kannte ein jedes Pferd den Ruf seines Besitzers. Die Reiter warfen ihre Lanzen von sich, legten ihre Sachen ordnungslos auf den Boden und streckten sich dann da und dort im Grase aus. Nur der Pendschahbaschi ging das Terrain ab und kam auch an die Feuerstelle. Er bückte sich, um dieselbe zu untersuchen, und rief dann:
»Purtu we diwbad – Blitz und Sturm, was finde ich da!«
»Was?« frug sein Vorgesetzter, indem er emporsprang.
»Hier war ein Feuer. Hier haben sie übernachtet.«
»Hallujah! Wo?«
»Jadscha – hier!«
Der Susbaschi
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