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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hörten! Die Gäste meines Wirthes aber hielten mich keineswegs für verrückt, daß ich ihnen den ›Ton meiner Kehle preis gab‹, was kein Altgläubiger thut; sie waren bereits aufgeklärt genug, um sich den Genuß mit zelotischen Skrupeln nicht zu verderben, und verließen gegen Mitternacht das Haus mit dem Vorsatze, es bald wieder zu besuchen. Was die Damenbetrifft, so hatte ich etliche dreißig Nasenspitzen und einige sechzig Augen gesehen, sonst aber nichts – nicht einmal einen Fuß, der im Taktschlagen den Pantoffel verloren hätte, da Beides, Füße und Pantoffel, bei der Art und Weise des orientalischen Sitzens von mir abgewendet war.
    Jacub führte mich mit großer Höflichkeit auf mein Zimmer zurück und freute sich, als ich seinem Sohne erlaubte, mitzukommen. Dieser bedauerte, daß sein Gehülfe nicht auch da gewesen sei.
    »Du hättest ihm eine große Freude bereitet,« bemerkte er mir. »Er liebt die Musik und ist ein sehr kluger Mann. Er kann in der Sprache der Italiener, Franzosen und Engländer mit Dir sprechen.«
    »Ist er aus Damaskus?« fragte ich, um den hingeworfenen Gesprächsgegenstand höflich aufzunehmen.
    »Nein,« antwortete Jacub. »Er ist aus Adrianopel und der Enkel meines Oheims. Sein Name ist Afrak Ben Hulam. Wir hatten ihn noch nie gesehen; er kam mit einem Briefe seines Vaters und mit einem Schreiben meines Bruders Maflei in Stambul bei mir an, um sein Geschäft noch weiter kennen zu lernen.«
    »Warum war er heut Abend nicht zugegen?«
    »Er war müd und fühlte sich nicht wohl,« antwortete Schafei. »Als er von dem Feste zurückkehrte, sagte ich ihm, daß Kara Ben Nemsi Effendi angekommen sei und heut Abend Musik machen werde; er wollte gern kommen, aber er war krank und sah blaß aus wie der Tod. Aber dennoch hat er die Musik gehört, denn er schläft nahe bei dem Zimmer, in welchem wir uns befanden.«
    Nach kurzem Aufenthalte bei mir verließen mich die Beiden, und ich legte mich zur Ruhe. Wie anders schlief es sich auf diesen Polstern als da draußen im harten Sande oder auf feuchter, gifthauchender Erde!
    Als ich am Morgen erwachte, hörte ich den Bulbul locken, der draußen vor meiner Fensteröffnung auf dem Zweige saß. Auch Halef war bereits munter, als ich in sein Gemach trat, trank Kaffee und aß Zuckergebäck dazu. Ich leistete ihm Gesellschaft, und dann gingen wir hinunter in den Hof, um an dem Bassin eine Pfeife zu rauchen. Vorher aber sah ich nach den Pferden. Sie standen auf Marmor und Weizenstroh und schmausten prächtige Datteln; ich sah, daß sie ebensowenig Veranlassung zur Beschwerde hatten, wie wir selbst.
    Am Brunnen trat der junge Schafei zu uns, um sich zu verabschieden und zu einem Besuche im Bazar einzuladen. Er mußte den ganzen Tag dort zubringen, denn das Unwohlsein seines Vetters und Gehilfen hatte sich gesteigert, so daß dieser das Zimmer hüten mußte.
    »Herr, ich weiß, daß Du ein Hekim bist – –« sagte er.
    »Wer sagte das?« unterbrach ich ihn.
    »Du hast damals am Nile vielen Kranken geholfen; Isla hat es uns erzählt. Daher bat ich vorhin den Gehülfen, mit Dir zu sprechen, aber er will es nicht thun; er sagte, daß diese Krankheit öfters erscheine, aber stets nach zwei Tagen wieder vorübergehe. Willst Du nicht einmal nach ihm sehen?«
    »Nein. Er wünscht es nicht, und ich bin auch kein wirklicher Hekim.«
    Als der junge Mann sich entfernt hatte, hörte ich einzelne Töne des Klaviers erklingen; es war eine leise forschende Hand, welche die Tasten niederdrückte, und bald darauf kam der Tschibuktschi und bat mich, hinauf zu kommen. Droben stand eine der beiden Töchter; sie kam mir mit bittender Geberde entgegen:
    »Effendi, verzeihe mir! Ich sehne mich, das Lied noch einmal zu hören, welches Du gestern zuletzt gespielt hast.«
    »Du sollst es hören.«
    Sie setzte sich in einem Winkel nieder und lehnte den Kopf an die Wand. Ich aber spielte. Es war das herrliche Kirchenlied: ›Hier liegt vor Deiner Majestät im Staub die Christenschar.‹ Ich spielte diese Melodie einige Male und sang dann auch mehrere Strophen des Liedes. Das Mädchen hielt die Augen geschlossen und die Lippen leise geöffnet, wie um die frommen, feierlichen Töne leichter in ihr Inneres dringen zu lassen.
    »Soll ich noch etwas spielen?« fragte ich am Schlusse.
    Sie erhob sich wieder und trat herbei.
    »Nein, Effendi, denn diese Musik soll durch keine andere beeinträchtigt werden. Wer ist es bei Euch, der solche Worte und Töne singen darf?«
    »Sie werden

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