Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
wirst nach Deiner Rückkehr in Damaskus dem Pascha erzählen, welche Faullenzer er Dir mitgegeben hat!«
»Was geht denn Dich diese Sache an?« fuhr der Tschausch auf.
»Rede manierlicher mit mir! Ich bin kein Nefer oder Khawaß,« entgegnete ich ihm. »Willst Du jetzt aufbrechen lassen oder nicht? Dort im Westen an der großen Mauer werden wir uns zusammen finden.«
Er erhob sich mürrisch und bestieg sein Pferd; die Andern thaten das Gleiche, und als er mit leiser Stimme seine Befehle ertheilt hatte, ritten sie in Streuung aus einander.
Ein Bach schlängelte sich durch das weite Feld. Ich sagte mir, daß ein Fremder, welcher Pferde bei sich hat, jedenfalls die Nähe des Wassers suchen werde. Darum theilten wir uns, um den Bach abzusuchen. Halef war bei Jacub, und ich nahm die beiden Irländer mit mir.
Wir ritten, nachdem wir ausgemacht hatten, uns durch Schüsse zu benachrichtigen, langsam am Ufer hinauf. Wir hatten Glück. Um einen abgebrochenen Säulenschaft biegend, gewahrte ich eine Mauer, in welcher sich ein Loch befand. Vor demselben lag ein Mann, der eine Flinte in der Hand hielt. Weiter aufwärts, vielleicht fünfhundert Schritte weit entfernt, erblickte ich einen hohen, grauen Cylinderhut, welcher, im Takte auf- und niedernickend, sich über einer aufgeworfenen Grube bewegte.
Ich kehrte schnell hinter die Säule zurück, übergab den beiden Irländern mein Pferd und wies sie an, hier verborgen zu bleiben, bis ich rufen werde. Dann trat ich wieder vor und schritt auf den Liegenden zu. Er lag so, daß er mich nicht sehen konnte; sobald er aber meine Schritte hörte, sprang er auf und hielt mir seine Flinte entgegen. Er hatte Hose und Jacke an und einen Fez auf dem Kopfe, rief mich aber doch in englischer Sprache an:
»Stop! Hierher darf Niemand!«
»Warum?« antwortete ich ihm englisch.
»Ah, Sie reden englisch! Sind Sie ein Dolmetscher?«
»Nein. Aber thun Sie die Flinte weg; ich bin Ihr Freund. Ist der Mann, welcher sich dort in der Grube befindet, Sir David Lindsay?«
»Yes!«
»Sie sind sein Diener?«
»Yes!«
»Gut! Ich bin ein Bekannter von ihm und möchte ihn gern überraschen.«
»Welch ein Glück! Gehen Sie zu ihm! Zwar soll ich wachen und ihm das Nahen jedes Menschen melden, aber Ihnen will ich nicht hinderlich sein, ihn zu überraschen; denn ich denke, daß Sie die Wahrheit reden.«
Ich ging, und je näher ich dem grauen Hute kam, desto leiser trat ich auf. Es gelang mir, bis an den Rand des Loches zu gelangen, ohne bemerkt zu werden, und eben, als der Engländer sich wieder einmal aufrichtete, langte ich zu und nahm ihm den Hut vom Kopfe.
»‘s death! Wer ist – – –«
Er wandte sich um, brachte aber nichts Weiteres aus dem sperrangelweit sich aufsperrenden Munde, nichts, keine einzige Silbe. Ja, das war die alte, gute Nase mit dem bekannten Karfunkel, welcher sich jetzt sträubte, die herabgleitende Brille vollends zur Erde fallen zu lassen.
»Nun, Sir,« frug ich, »warum habt Ihr nicht am Kanale Anana auf mich gewartet?«
»Alle guten Geister!« rief er jetzt. »Wer ist denn das? Ihr seid ja todt!«
»Ja, aber ich erscheine Euch als Gespenst. Ihr fürchtet Euch doch nicht vor dem Geiste eines alten Bekannten?«
»Nein, nein!«
Mit diesen Worten sprang er aus der Grube. Er hatte sich gefaßt und warf die beiden Arme um mich.
»Ihr lebt, Master, Ihr lebt? Und Halef?«
»Ist auch hier. Und noch zwei andere Bekannte.«
»Wer?«
»Bill und Fred, welche ich bei den Haddedihn geholt habe.«
»Ah! Ah! Nicht möglich! Ihr wart bei den Haddedihn?«
»Über zwei Monate.«
»Und ich – well, ich habe sie nicht gefunden!«
»Wer ist der Mann dort an der Mauer?«
»Mein Diener. Habe ihn in Damaskus engagirt. Kommt, Master; wir müssen erzählen!«
Er führte mich zurück zur Maueröffnung, trat hinein und kehrte mit einer Flasche und einem Glase zurück. Es war Sherry, ächter, guter Sherry.
»Halt, da müssen die Beiden auch mit trinken!«
Ich rief die Irländer und hatte nun eine Szene vor mir, die sich nicht beschreiben läßt. Die beiden Burschen weinten vor Entzücken, und Lindsay schnitt die unglaublichsten Pantomimen, um seine Freude und Rührung männlich zu verbergen.
»Und wo ist Euer Dolmetscher?« fragte ich endlich.
»Dolmetscher? Ah, Ihr wißt, daß ich einen habe?«
»Ja. Ihr habt ihn auf dem Feste Er Rimal in einer Sängerbude engagirt.«
»Wunderbar! Unbegreiflich! Ihr seid allwissend! Trefft Ihr mich aus Zufall oder aus Absicht hier?«
»Aus
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