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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hauptthüre gegen dreißig Derwische ein; voraus ging ihr Vorsteher. Dieser war ein alter, graubärtiger Mann und trug einen langen, schwarzen Mantel; die Anderen waren in braune Kutten gekleidet, Alle aber hatten die hohe, konische Filzmütze auf dem Kopfe. Sie schritten langsam und in würdevoller Haltung dreimal im Saale herum und dann hockten sie sich nieder: der Anführer dem Eingange gegenüber, und die Übrigen rechts und links von ihm in zwei Halbkreisen. Nun begann eine Musik, deren Disharmonie mir die Ohren zerreißen wollte, und dazu ertönte ein Gesang, welcher, nach dem Worte eines deutschen Dichters, ›Steine erweichen und Menschen rasend machen konnte‹.
    Nach diesen Klängen machten die Derwische allerlei Verbeugungen und sonderbare Bewegungen theils gegen sich, theils gegen ihren Vorsteher. Sie wiegten sich mit untergeschlagenen Beinen von rechts nach links, von hinten nach vorn, schraubten den Oberkörper im Kreise auf den Hüften, verdrehten die Köpfe, schwenkten die Arme, rangen die Hände, klatschten sie zusammen, warfen sich platt auf den Boden und schlugen auf denselben mit ihren tutenförmigen Filzmützen, daß man es klatschen hörte.
    Dies war der erste Theil der sonderbaren Feierlichkeit und währte wohl eine halbe Stunde. Dann verstummten Musik und Gesang, und die Derwische blieben ruhig auf ihren Plätzen hocken. Auf mich machte das Exercitium den Eindruck, daß ich es mit verrückten Menschen zu thun habe; die Türken jedoch hatten ihm mit außerordentlicher Andacht und mit Staunen zugeschaut und schienen sehr erbaut zu sein.
    Jetzt begann die Musik von Neuem, und zwar in einem rascheren Tempo. Die Derwische sprangen auf, warfen ihre braunen Kutten ab und erschienen nun auf einmal in weißen Gewändern. Sie verbeugten sich in verschiedenen Tempi und verschiedener Tiefe von Neuem gegen den Vorsteher und gegen einander und begannen nun den Tanz, von welchem sie den Namen der ›Tanzenden‹ erhalten haben.
    Es war eigentlich nicht ein Tanz, sondern nur ein Drehen zu nennen. Jeder blieb an dem Orte stehen, an welchem er sich befand, und drehte sich in langsamem Tempo um seine eigene Achse, und zwar immer nur auf einem Fuße stehend. Dabei hatten sie bisweilen die Arme auf die Brust gekreuzt und zuweilen streckten sie die Hände weit von sich ab, bald nach vorn und bald nach rechts und links. Die Musik ging in einen immer schnelleren Rhythmus über, und somit ward die Kreiselbewegung der Derwische eine immer schnellere; endlich war sie so schnell, daß ich die Augen schloß, um nicht vom bloßen Zuschauen drehend zu werden. Dies dauerte wohl auch gegen eine halbe Stunde, dann sank Einer nach dem Andern um, und die Komödie war zu Ende. Ihre Wirkung auf mich war eine derartige, daß ich sie nicht wieder zu sehen wünschte; die anderen Zuschauer aber, welche durchgängig den niederen Ständen angehörten, gingen höchst befriedigt von dannen.
    Isla blickte mich an und sagte: »Wie gefiel es Dir, Effendi?«
    »Mir ist beinahe übel geworden,« antwortete ich aufrichtig.
    »Du hast recht. Ich weiß nicht, ob der Prophet solche Übungen geboten hat; doch weiß ich ebensowenig, ob überhaupt seine ganze Lehre gut ist für das Land und das Volk der Osmanen.«
    »Das sagst Du, ein Moslem!«
    »Effendi,« flüsterte er, »Senitza, mein Weib, ist ja eine Christin!«
    Damit hatte er mir indirekt gestanden, was er nicht offen in Worte kleiden wollte. Ein braves Weib ist als die ›Seele des Hauses‹ eine erfolgreiche Trägerin der Kultur und des wahren Gottesbewußtseins.
    Als wir über den Hof nach dem Ausgange schritten, fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich blieb stehen und kehrte mich um: ein junger Mann, der mir eiligst nachgesprungen war, stand vor mir, und ich erkannte ihn sofort.
    »Omar Ben Sadek! Ist es möglich, Dich hier zu sehen?«
    »Preis sei Gott, daß er mir die Freude sendet, die Sonne Deines Angesichtes zu schauen! Meine Seele hat sich nach Dir gesehnt viele hundert Male, seit ich so schnell von Dir scheiden mußte.«
    Es war Omar, der Sohn jenes Sadek , welcher mich und Halef über den Schott Dscherid geführt hatte, und dabei von Abu el Nassr erschossen worden war.
    »Wie kommst Du nach Stambul, und was thust Du hier?« frug ich ihn.
    »Siehst Du nicht, daß ich Hammal bin? Laß uns in ein Kaffeehaus treten, Sihdi, wo ich Dir Alles erzählen werde!«
    Isla Ben Maflei hatte unser tunesisches Abenteuer bereits damals in Ägypten gehört und kannte also schon den Namen

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