Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
einen fürchterlichen Geruch aus; Geier und Hunde waren die einzigen Wesen, welche für die Milderung dieses unerträglichen Zustandes sorgten. Wir konnten kaum den Hammals ausweichen, welche große Steine, Bretter und Balken durch die verwahrlosten Gassen schleppten, und begegnete uns einmal ein bepackter Esel, ein dicker, berittener Muselmann oder ein mit Ochsen bespannter Frauenwagen, so war es geradezu eine Kunst, vorüber zu kommen, ohne zerquetscht zu werden.
So gelangten wir endlich nach Dimitri. Hier stiegen wir ab und gaben unseren Atdschis ihre Pferde zurück. Zunächst zeigte mir der Jüterbogker seine Wohnung; sie lag im Hintertheile einer halb verfallenen Hütte und war einem Ziegenstalle ähnlicher als einer menschlichen Behausung. Die Thür wurde von einigen zusammengeklebten Papierbogen gebildet; das Fenster war einfach ein durch die Wand gestoßenes Loch, und an Geschirr und Geräth hatte er nichts aufzuweisen, als einen henkellosen Wasserkrug, über dessen Öffnung eine Kreuzspinne ihr Netz gewoben hatte, und ein Stück von einem zerfetzten Segel, welches als Ottomane und Schlafstelle diente.
Ich sah mir diese traurige Einrichtung wortlos an und folgte ihm dann wieder hinaus auf die Straße. Er führte mich in ein Haus, dessen Äußeres nichts Gutes verhieß, und dessen Inneres diese Weissagung vollständig bestätigte. Es war eines jener griechischen Wein- und Kaffeehäuser, in denen der Werth eines Menschenlebens gleich Null ist, und deren Bevölkerung und Besucher nach ihrem Leben und Treiben unmöglich beschrieben werden können.
Ohne sich in dem vorderen Raume aufzuhalten, führte mich der Barbier in ein hinteres Gemach, wo man Kartenspiele machte und – Opium rauchte. Die Raucher lagen in den verschiedensten Stadien auf einem langen, schmalen Strohpolster, welches sich an zwei Wänden des Zimmers hinzog. Da war ein alter Kerl eben beschäftigt, das Gift in Brand zu setzen. Seine skelettartige Gestalt hatte sich vor Begierde aufgerichtet; seine Augen, sonst erloschen, funkelten vor Verlangen, und seine Hände zitterten. Er machte einen abscheulichen Eindruck auf mich. Daneben lag ein junger, kaum zwanzigjähriger Bursche im Betäubungstraume; er lächelte, als befinde er sich im siebenten Himmel Mahommed’s; auch er war bereits dem Teufel des Opiums verfallen, der Keinen wieder aus seinen Krallen läßt. In seiner Nähe wand sich ein langer, hagerer Dalmatiner im Paroxismus des Rausches, und unweit desselben grinste die widerliche Fratze eines verkommenen Derwisches, welcher sein Kloster verlassen und diese Höhle aufgesucht hatte, um seine Lebenskraft den wahnsinnigen Bildern der trügerischen Narkose zu opfern.
»Rauchen Sie etwa auch?« fragte ich ahnungsvoll meinen Führer.
»Ja,« antwortete er; »aber et is noch nicht lange her.«
»Um Gottes willen, dann ist es vielleicht noch Zeit, davon zu lassen! Wissen Sie denn noch nicht, wie hinterlistig, wie teuflisch dieses Gift wirkt?«
»Teuflisch? Hm, dat scheinen Sie doch nicht zu verstehen! Es wirkt im Jegentheile ganz himmlisch. Wollen Sie es ‘mal versuchen?«
»Fällt mir gar nicht ein. Was kann man hier trinken?«
»Wein. Ik werde bestellen; dat Andere ist Ihnen Ihre Sache!«
Wir erhielten einen dicken, rothen, griechischen Wein, dessen schlechten Geschmack man nicht begreifen kann, wenn man weiß, wie köstlich die großbeerigen griechischen Trauben sind. Das also war das Haus, in welchem Abrahim Mamur verkehrte. Ich erkundigte mich bei dem Wirth nach ihm; da ich aber aus Vorsicht keinen Namen nennen durfte und auch denjenigen nicht wußte, welchen er sich jetzt beigelegt hatte, so war diese Nachforschung vergeblich.
Aus diesem Grunde trug ich dem Barbier auf, die Augen offen zu halten und mir es sofort wissen zu lassen, wenn er den Gesuchten fände. Ich versah ihn mit einer kleinen Summe Geldes und verabschiedete mich, hatte aber das traurige Lokal noch nicht verlassen, so saß er bereits bei den Spielern, um das Geld im Hazardspiele zu verlieren und den Rest dann wohl in Opium zu verrauchen. Ich gab den Mann an Leib und Seele verloren, nahm mir aber vor, ihn womöglich von der eingeschlagenen Bahn wieder abzulenken.
Der andere Tag war ein Freitag, und Isla, welcher in Pera zu thun hatte, lud mich ein, ihn zu begleiten. Wir gelangten auf dem Rückwege an ein moscheeartiges Gebäude, welches in der Nähe des russischen Gesandtschaftshôtel lag und von der Straße durch ein Gitter getrennt wurde. Isla blieb stehen und
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