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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ich durch den Hof grad auf die Klosterpforte zu und trat in den Vorraum. Die Thür zu dem Gange stand offen. Die Derwische befanden sich wieder inihren Zellen. Ich schritt langsam den langen Gang hinab und wieder zurück, um mir die Gemächer und deren Insassen zu betrachten, und kein Mensch kümmerte sich um mich. In der fünften Zelle saß ein junger Derwisch, welcher vielleicht zwanzig und einige Jahre zählen mochte; er sah starr zum Fenster empor und ließ die neunundneunzig Kugeln seines Rosenkranzes durch die Finger gleiten.
    »Sallam!« grüßte ich mit tiefer Stimme und würdevoller Haltung.
    »Sallam aaleïkum!« antwortete er. »Was willst Du?«
    »Ich komme aus einer fernen Provinz und bin mit den Gebräuchen dieses Hauses unbekannt. Ich habe Eueren Tanz gesehen und möchte Euch für die Erbauung danken, welche Ihr mir bereitet habt. Darfst Du eine Gabe nehmen?«
    »Ich darf; gib her!«
    »Wie groß muß sie sein?«
    »Es wird jeder Para angenommen.«
    »So nimm!«
    Ich gab ihm nach meinen nicht bedeutenden Mitteln, er aber schien zufrieden zu sein, denn er sagte:
    »Ich danke Dir! Soll dies für mich oder für den Orden sein?«
    »Habe die Gnade und nimm es für Dich!«
    »So sag mir Deinen Namen, damit ich weiß, wem ich zu danken habe.«
    »Der Prophet sagt, daß die Gabe aus einer verschwiegenen Hand einst doppelt angerechnet werde; erlaube mir darum, daß ich schweige, und sage mir dagegen Deinen Namen, damit ich weiß, mit welchem frommen Sohne des Islam ich gesprochen habe.«
    »Mein Name ist Ali Manach Ben Barud el Amasat.«
    »Und welches ist der Ort, der Deine Geburt gesehen hat?«
    »Iskenderiëh ist meine Vaterstadt,« antwortete er.
    Das stimmte ja! Isla hatte mir schon in Ägypten erzählt, daß Barud el Amasat, welcher Senitza verkauft hatte, in Skutari gewohnt habe. Ich fragte weiter:
    »Leben die Angehörigen Deiner frommen Familie noch dort?«
    »Nein,« antwortete er.
    Ich durfte nicht weiter fragen, sonst hätte ich seinen Verdacht erweckt; darum sprach ich noch eine Höflichkeitsformel aus und entfernte mich. Beim Kawehdschi hatten mich Isla und Omar mit Ungeduld erwartet.
    »Was hast Du erfahren?« fragte Isla.
    »Er ist der Sohn jenes Barud el Amasat; er stammt aus Skutari, und wenn mich nicht Alles trügt, so ist Hamd el Amasat, welcher sich Abu el Nassr nannte, sein Oheim.«
    »Effendi, so muß er uns sagen, wo sein Vater sich befindet!«
    »Er muß? Wie willst Du ihn zwingen?«
    »Durch den Kadi.«
    »So wird er einen falschen Ort nennen, oder, wenn er den richtigen sagt, seinen Vater benachrichtigen. Nein, wir müssen vorsichtig sein. Zunächst will ich mir das Haus ansehen, in welchem er gestern gewesen ist. Ich werde sogleich mit Omar nach Baharive Keui gehen und Dir dann vielleicht sagen können, was zu thun ist.«
    »Du sollst Deinen Willen haben, Effendi, wir werden uns also jetzt trennen; dann aber bringst Du Omar Ben Saduk mit, denn er soll bei mir wohnen und nicht mehr Hamal sein!«
    Isla kehrte nach Hause zurück, und ich begab mich mit Omar an das Wasser, wo wir ein Kaik nahmen und im goldenen Horn aufwärts fuhren, um in Eyub zu landen. Von hier aus gingen wir zu Fuße nach Baharive Keui, welches der nordwestlichste Stadttheil von Konstantinopel ist. Es war ein beschwerlicher Weg durch Schmutz, Unrath und Häusertrümmer, bis wir in eine Art Sackgäßchen gelangten, in welches wir einbogen.
    Omar zeigte mir das betreffende Haus nur so im Vorübergehen, damit unser Verhalten nicht auffällig wäre. Es war ein schmales, doch, wie es schien, sehr tiefes Gebäude mit vorspringendem Oberstock; die Thür war mit starkem Eisenblech beschlagen, und die ganze Fronte zeigte außer einem kleinen, viereckigen Loche neben dem Eingange die kahle, fest geschlossene Wand. Diese Bemerkungen machte ich im Vorbeischreiten. Das Nachbargebäude hatte auch ein Oberstockwerk und war ebenso schmal; an seiner Thür klebte ein schmutziger Papierfetzen, auf welchem die Worte: »Arar-im bir Kiradschiji – ich suche einen Miethsmann« geschrieben standen.
    Kurz entschlossen, hatte ich sofort den Thürdrücker in der Hand und trat ein; Omar folgte mir ganz erstaunt darüber, was ich hier suchen wolle. Wir befanden uns in einem sehr engen finsteren Flur, in welchem wir forttappten, bis ich an eine dem Eingange gegenüber liegende Thür stieß; ich öffnete sie und trat in einen Hof, welcher, wie das ganze Haus, vielleicht acht Ellen Breite besaß, dafür aber eine wohl zehnfache Länge hatte. Die

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