Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
nach seinem Pistol, aber Halef hielt ihm schon die Mündung seiner eigenen Waffe auf die Brust.
»Ergreift ihn!« gebot der Baschi, indem er selbst jedoch sein Pistol vorsichtig sinken ließ.
Die guten Leute behielten zwar ihre drohenden Gesichter bei, aber keiner wagte es, Hand an Halef zu legen.
»Weißt du, was es heißt, einem Wergi-Baschi mit der Peitsche zu drohen?« fragte der Türke.
»Ich weiß es,« antwortete Halef. »Einem Wergi-Baschi mit der Peitsche drohen, heißt, sie ihn auch wirklich kosten lassen, wenn er es wagt, in der Weise weiter zu sprechen, wie er gesprochen hat. Du bist ein Türke, ein Sklave des Großherrn; ich aber bin ein freier Araber!«
Ich ließ mein Kamel niederknieen, stieg ab und zog meinen Paß hervor.
»Muhrad Ibrahim, du siehst, daß wir uns noch weniger vor euch fürchten, als ihr vor uns; du hast einen sehr großen Fehler begangen, denn du hast einen Effendi beleidigt, der im Giölgeda padischahnün steht!«
»Im Schutze des Großherrn, den Allah segnen möge? Wen meinst du?«
»Mich.«
»Dich? Du bist ein Nemtsche, also ein Giaur – – –«
»Du schimpfest!« unterbrach ich ihn.
»Du bist ein Ungläubiger, und von den Giaurs steht im Kuran: ›O ihr Gläubigen, schließt keine Freundschaft mit solchen, die nicht zu eurer Religion gehören. Sie lassen nicht ab, euch zu verführen, und wünschen nur euer Verderben!‹ Wie kann also ein Ungläubiger im Schutze des Großherrn stehen, welcher der Schirm der Gläubigen ist?«
»Ich kenne die Worte, welche du sagst; sie stehen in der dritten Sure des Kuran, in der Sura Amran; aber öffne deine Augen und beuge dich in Demut nieder vor dem Bjuruldu des Padischah. Hier ist es.«
Er nahm das Pergament, drückte es an Stirn, Augen und Brust, verbeugte sich bis zur Erde und las es. Dann gab er mir es zurück.
»Warum hast du es mir nicht gleich gesagt, daß du ein Arkadardes Sultans bist? Ich hätte dich nicht Giaur genannt, obgleich du ein Ungläubiger bist. Sei mir willkommen, Effendi!«
Schützling.
»Du heißest mich willkommen und schändest mit demselben Atemzuge meinen Glauben! Wir Christen kennen die Gesetze der Höflichkeit und der Gastfreundschaft besser als ihr; wir nennen euch nicht Giaurs, denn unser Gott ist es, den ihr Allah nennt.«
»Das ist nicht wahr. Wir haben nur Allah; ihr aber habt drei Götter, einen Vater, einen Sohn und einen Geist.«
»Wir haben doch nur einen Gott, denn Vater, Sohn und Geist sind eins. Ihr sagt: ›Allah il Allah, Gott ist Gott.‹ Und unser Gott sagt: ›Ich bin ein starker, einiger Gott.‹ Euer Kuran sagt in der zweiten Sura: ›Er ist der Lebendige, der Ewige; ihn ergreift nicht Schlaf, nicht Schlummer; sein ist, was im Himmel und auf Erden ist.‹ Unsere heilige Bibel sagt: ›Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit; es ist alles offen und entdeckt vor seinen Augen; er hat die Erde gegründet, und die Himmel sind seiner Hände Werk.‹ Ist das nicht ganz dasselbe?«
»Ja, euer Kitabist gut, aber euer Glaube ist falsch.«
Buch, Bibel.
»Du irrst. Euer Kuran sagt: ›Die Gerechtigkeit besteht nicht darin, daß ihr euer Gesicht nach Osten oder Westen richtet (beim Gebet), sondern der ist gerecht, der an Gott glaubt, an den jüngsten Tag, an die Engel, an die Schrift und die Propheten und mit Liebe von seinem Vermögen giebt den Anverwandten, den Waisen, Armen und Pilgern, ja jedem, der ihn darum bittet, der Gefangene erlöset, sein Gebet verrichtet, an seinen Verträgen festhält, geduldig Not und Unglück erträgt. Der ist gerecht, der ist wahrhaft gottesfürchtig.‹ Unser heiliges Buch gebietet uns: ›Du sollst Gott lieben über alles und deinen Nächsten wie dich selbst.‹ Gebietet uns unser Glaube nicht ganz dasselbe, was euch der eurige befiehlt?«
»Ihr habt dies erst aus dem Kuran in euer Kitab abgeschrieben.«
»Wie ist dies möglich, da unser Kitab über zweitausend Jahre älter ist, als euer Kuran?«
»Du bist ein Effendi, und ein Effendi muß immer Gründe und Beweise finden, selbst wenn er unrecht hat. – Woher kommst du?«
»Aus dem Lande Gipt, dort im Westen.«
Türkisch für Ägypten.
»Und wo willst du hin?«
»Nach Tor hinüber.«
»Und dann?«
»Nach dem Manastyrauf dem Dschebel Sinahi.«
Kloster.
»So mußt du über das Wasser.«
»Ja. Wohin fährst du?«
»Auch nach Tor.«
»Willst du mich mitnehmen?«
»Wenn du gut bezahlst und dafür sorgest, daß wir uns mit dir nicht verunreinigen.«
»Habe keine Sorge! Wie viel verlangst
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