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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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großen Pilgerkarawanen eintreffen und der Fanatismus seinen Siedepunkt erreicht? Ich hatte oft gelesen, daß ein Ungläubiger keine Moschee betreten dürfe, und war dann später in verschiedenen Moscheen selbst gewesen; konnte es mit dem Betreten der heiligen Städte nicht ähnlich sein? Ich hatte überhaupt den Orient in vielen, vielen Beziehungen ganz anders, und zwar nüchterner gefunden, als man sich ihn gewöhnlich vorzustellen pflegt, und konnte gar nicht recht glauben, daß ein kurzer, vielleicht nur stundenlanger Besuch in Mekka wirklich so furchtbar gefährlich sei. Der Türke hatte mich für einen Beduinen gehalten; es stand sehr zu vermuten, daß auch andere dieselbe Meinung von mir hegen würden. Und dennoch konnte ich zu keinem Entschluß kommen.
    »Das weiß ich jetzt nicht,« antwortete ich dem kleinen Halef.
    »Du wirst mit mir nach Mekka gehen, Sihdi, und vorher in Dschidda den rechten Glauben annehmen.«
    »Nein, das werde ich nicht.«
    Ein Ruf am Lande unterbrach die Unterhaltung. Der Türke hatte seinen Leuten das Abendgebet befohlen.
    »Effendi,« meinte Halef, »die Sonne steigt hinter die Erde hinab; erlaube, daß ich bete!«
    Er ließ sich auf die Kniee nieder und betete. Seine Stimme mischte sich mit dem Unisono der betenden Türken. Noch war dasselbe kaum verklungen, so ließ sich eine andere Stimme vernehmen. Sie scholl hinter dem Felsenriffe hervor, welches die Aussicht nach der Nordseite des Meeres verschloß.
    »An Allah haben wir volle Genüge, und herrlich ist er, der Beschützer. Es giebt keine Macht und keine Gewalt, außer bei Gott, dem Hohen, dem Großen. O unser Herr, ïa Allah, o gern Verzeihender, o Allgütiger, ïa Allah, Allah hu!«
    Diese Worte wurden mit einer tiefen Baßstimme intoniert, jedoch dem Namen Allah gab der Betende allemal einen Ton, welcher eine Quinte höher lag. Ich kannte diese Worte und diese Töne; so pflegen die heulenden Derwische zu beten. Die Türken hatten sich erhoben und sahen nach der Richtung, aus welcher die Stimme erscholl. Jetzt kam ein kleines, kaum sechs Fuß langes und vier Fuß breites Floß zum Vorschein, auf welchem ein Mann kniete, welcher ein Paddelruder führte und dazu im Takte sein Gebet abrief. Er trug um den roten Tarbusch einen weißen Turban, und weiß war auch seine ganze übrige Kleidung. Dies war ein Zeichen, daß er zur Fakirsekte der Kaderijeh gehöre, welche meist aus Fischern und Schiffern besteht und von Abdelkader el Gilani gestiftet wurde. Als er den Sambuk erblickte, stutzte er einen Augenblick, dann aber rief er:
    »La ilaha illa lah!«
    »Illa lah!« antworteten die andern im Chore.
    Er hielt auf das Fahrzeug zu, legte sein Floß an und stieg an Bord. Wir, nämlich Halef und ich, befanden uns nicht allein an Bord; der Kürekdschiwar uns gefolgt, und an diesen wandte sich der Derwisch:
    Steuermann.
    »Gott schütze dich!«
    »Mich und dich!« lautete die Antwort.
    »Wie befindest du dich?«
    »So wohl wie du.«
    »Wem gehört dieser Sambuk?«
    »Seiner Herrlichkeit dem Großherrn, welcher der Liebling Allahs ist.«
    »Und wer führt ihn?«
    »Unser Effendi, der Wergi-Baschi Muhrad Ibrahim.«
    »Und was habt ihr geladen?«
    »Wir haben keine Fracht; wir fahren von Ort zu Ort, um den Zoll einzunehmen, welchen der Großscherif von Mekka anbefohlen hat.«
    »Haben die Gläubigen reichlich gegeben?«
    »Es ist keiner zurückgeblieben, denn wer Almosen giebt, dem vergilt es Allah doppelt.«
    »Wohin fahrt ihr von hier?«
    »Nach Tor.«
    »Das werdet ihr morgen nicht erreichen.«
    »Wir werden am Ras Nayazat anlegen. Wo willst du hin?«
    »Nach Dschidda.«
    »Auf diesem Floß?«
    »Ja. Ich habe ein Gelübde gethan, nur auf meinen Knieen nach Mekka zu fahren.«
    »Aber bedenke die Bänke, die Riffe, die Untiefen, die bösen Winde, die es hier giebt, und die Haifische, welche dein Floß umschwärmen werden!«
    »Allah ist der allein Starke; er wird mich schützen. Wer sind diese beiden Männer?«
    »Ein Gi– – ein Nemsi mit seinem Diener.«
    »Ein Ungläubiger? Wo will er hin?«
    »Nach Tor.«
    »Erlaube, daß ich meine Datteln hier verzehre; dann werde ich weiter fahren.«
    »Gefällt es dir nicht, die Nacht bei uns zu bleiben?«
    »Ich muß weiter.«
    »Das ist sehr gefährlich.«
    »Der Gläubige hat nichts zu fürchten; sein Leben und sein Ende ist im Buche verzeichnet.«
    Er setzte sich nieder und zog eine Handvoll Datteln hervor.
    Ich hatte den Eingang zu dem Verschlage verriegelt gefunden und mich über das Geländer

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