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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die ausgedorrten Leichen der Menschen und Thiere, die in grauenerregenden Stellungen neben und über einander lagen. Einige hielten die leeren Schläuche noch in den entfleischten Händen; Andre hatten wie wahnsinnig die Erde unter sich aufgewühlt, um sich Kühlung zu verschaffen; hier saßen aufgerichtete Mumien auf den Skeletten gestürzter Kameele, den Turban noch auf dem nackten Schädel; dort lagen Leichen, das Gesicht gegen Morgen, nach Mekka, gerichtet und die Arme über die Brust gekreuzt – ihr letzter Gedanke war, wie es dem frommen Moslem geziemt, Gott und sein Prophet gewesen.
    Doch noch andere Schrecken giebt es:
    Seit dem Aufbruche der Karavane aus dem Lagerplatze ist der letzte Tropfen Wassers aus den ledernen Schläuchen verronnen. Die Kameele zwar schreiten noch rüstig vorwärts, da sie durch den Bau ihres Magens jetzt noch vor dem Durste geschützt sind, aber der Widerstand des Menschen erlahmt schneller. Der erfahrene Führer blickt starr und besorgt vor sich hin. – Der Himmel glüht wie Erz und die Erde brennt wie glühendes Eisen, und die nächste Oase ist noch weit, weit entfernt. In der Erinnerung des alten grauköpfigen Arabers steigen schreckliche Bilder herauf von den Qualen des langsamen Verschmachtens, dem gegenüber der schnelle Tod ein Engel der Erbarmung ist. Schon erreichen halb unterdrückte Klagen sein Ohr; der Gaumen brennt, an welchem die trockene, lechzende Zunge klebt, das siedende Blut drängt sich ungestüm nach dem fiebernden Gehirn und bei der entsetzlichen, trockenen Hitze schwindet der letzte Rest von Kraft und Lebensmuth.
    Da, sieh; drüben zur Linken winken lockende Bilder! Ueber den dichtumflorten Horizont heben sich die scharfen Umrisse einer lieblichen Oase herauf. Auf schlanken Säulen bauen sich die stattlichen Wipfel der Dattelpalmen übereinander und ihre leichten, vollen Fliederkronen wehen im frischen Wüstenwinde. Und dort welch’ ein entzückender Anblick bietet sich dem durstenden Wanderer! Aus dem Haine der Oase schimmert es wie das Wellengekräusel eines lieblichen Sees, und die Luft scheint sich von der Ausdünstung des Wassers zu feuchten.
    »Allah akbar!« ruft Einer. »Wir sind gerettet. Siehst Du, wie sich die Kronen der Palmen in der schimmernden Wasserfläche spiegeln, wie Kameele in die kühle Fluth waten und ihren langen Hals herunterstrecken, um das belebende Naß zu schlürfen!«
    »Schau nicht hin!« mahnt der erfahrene Führer. »Es ist nichts als Trug, den Dir der Satan vorspiegelt. Folgst Du der Spiegelung, so geräthst Du in die Wüste und findest weder Kameele, noch Palmen, noch Wasser.«
    Die Karavane murmelt ein Gebet und zieht scheu vorüber vor der verlockenden Fata morgana. Der Sohn der Wüste weiß, daß die Djinns (bösen Geister) diesen verderblichsten aller Zauber aus den Dünsten und Gluthen des Sandmeeres zusammengewoben haben, um den schmachtenden Wanderer ins Verderben zu führen. Darum läßt er sich nicht verlocken und folgt dem Führer, bis aus dem Munde desselben der frohlockende Ruf erschallt: »Die Oase, seht,   dort liegt sie; Allah kerim! Dank sei dem Herrn.« – Das ist die Sahara.
    Hat der Wanderer den bevölkerten Osten der Vereinigten Staaten verlassen und den Mississippi, den »Vater der Ströme« überschritten, so betritt sein Fuß den Schauplatz jenes Verzweiflungskampfes, in welchem der Indianer seine letzten Pfeile gegen die Vertreter einer blutgierigen und rücksichtslosen Civilisation entsendet.
    Von den Ufern des Illinois sich bis an den Mississippi erstreckend, und von da an bis zu einer Höhe von 500 Metern ansteigend, rollt sich die wohl 30,000 Quadratmeilen umfassende Prairie bis an den Fuß des Felsengebirges und tritt sogar über dasselbe hinüber auf das Jagdgebiet der Apachen, Navajoes und Athabaskah’s.
    Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts war die »Rothhaut« Herr der weiten Ebenen, deren oft sieben Meter tiefer Humusboden den Bemühungen des Ackerbaues eine fast unerschöpfliche Fruchtbarkeit entgegenbringt. Da aber kam das »Bleichgesicht«, der weiße Mann, trieb den »rothen Bruder« aus den ihm gehörigen Jagdgründen und verbreitete durch Krankheit, »Feuerwasser« und Schießgewehr Tod und Verderben in den Reihen der kräftigen und vertrauensvollen Söhne der Wildniß.
    Jene weiten Flächen, deren animalische, vegetabilische und mineralische Reichthümer immer neue Tausende von »Pionnieren der Bildung und Gesittung« anlocken, werden die Todeszuckung einer Nation sehen, welcher der

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