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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Vorurtheilsfreie seine Theilnahme nicht versagen kann, obgleich die Politik der Ausrottung von ihren fanatischen Vertretern mit zahlreichen Entschuldigungsgründen vertheidigt worden ist.
    Was und wie der Indianer nicht sein sollte, das und so ist er durch seinen christlichen Bruder geworden, welcher, das Evangelium der Liebe auf den Lippen und die Mordwaffe in der Faust, das Menschengeschlecht und die Weltgeschichte einer reichen Anzahl unschätzbarer Entwickelungsmomente beraubte. Nur hier und da noch ragt aus den Mezquitebüschen das Geweih eines mächtigen Elenn hervor, der Grizzly hat sich in die verborgenen Schluchten der Rocky-Mountains zurückgezogen, der zottige Bison legt in immer kleineren Truppen seine regelmäßige Herbst- und Frühjahrswanderungen zurück und der donnernde Hufschlag der Mustangheerden wird immer schwächer und seltener. Eine riesige Industrie wird sich mit gewaltigem Flügelschlage auf den »fernen Westen« herniedersenken, Haus wird an Haus, Stadt an Stadt sich reihen, ein Geschlecht dem anderen folgen und das »Feuerroß« zu seinen großen Pfaden nach Hunderte von kleineren suchen; aber um die verschwundenen Krieger der Savanne wird die Sage ihren goldenen Schimmer weben, und das Gedächtniß der an dem Bruder begangenen Todtsünde wird fortleben in dem Liede des Dichters. Das ist die Prairie mit dem dunkelsten ihrer Bilder.
    Da, wo der Orinoco seine Fluthen dem Golfe von Paria zuwälzt, also in dem nördlichen Südamerika, ferner um den Amazonenstrom und seinen Nebenflüssen und endlich am Rio de la Plato bis hinein nach Patagonien dehnen sich ungeheure Ebenen, welche mit den Küstenflächen von Chile, Bolivia und Peru über 254,000 Quadratmeilen zählen.
    Die Llanos des Nordens sind wahrscheinlich in früheren Zeiten einmal Meeresgrund gewesen, meist sandig, leiden an ungeheuren Ueberschwemmungen, welche dem dürftigen Boden aber einige niedrige Pflanzenformen abnöthigen, von denen Mensch und Thier nothdürftig das Leben fristet.
    Die Ebenen am Amazonenstrom bestehen theils aus kahlen, steinigen Flächen, theils aus undurchdringlichen Urwäldern; letztere nehmen ein Areal von 70,000 Quadratmeilen ein. In ihnen kennt man keinen andern Weg als die Flüsse. Riesenbäume drängen sich in den abenteuerlichsten Gestalten aneinander, mächtige Schlingpflanzen ranken sich von Stamm zu Stamm und bilden ein Dickicht, durch welches sich nur der Jaguar windet, um eine Affenheerde oder den einsamen Lagerplatz einer Indianerhorde zu beschleichen. Die Natur hat hier ihr Titanengewand angelegt und der kleine Mensch schrumpft in seinem Kahne zu einer Schnecke zusammen, welche in gebrechlichem Gehäuse den Fluthen des Stromes preisgegeben ist.
    Die Pampas im Süden zeigen meist eine Schicht Humuserde auf einer thonig-sandigen Unterlage; auf dem salzigen, steinlosen Boden wächst eine dürftige Vegetation von Salzpflanzen; und nur da, wo der Boden weniger salzig und das Klima feucht ist, giebt es einzelne Brunnen und in Folge dessen ganze mit Cactuswäldern bedeckte Strecken. Nur die Steppen von Buenos-Ayres zeigen eine lebhafte Vegetation von Gras und Kräutern, über welcher, wie in der afrikanischen Wüste, die Fata morgana ihre Truggebilde zeichnet.
    Auf diesen einförmigen, wenn auch nicht gerade öden Ebenen fährt oder reitet man Stunde um Stunde, Tag um Tag, ohne eine andere Abwechselung als etwa eine weidende Viehheerde, ein aufgescheuchtes Wild, einen Ochsenkarrenzug, einen kleinen See, ein einsames Posthaus, eine halbverfallene Meierei. Flüsse kommen gar nicht vor. Das Gras besteht aus ziemlich gleichmäßig vertheilten Büscheln, zwischen denen der kahle Boden hervorschaut. Der weite Horizont verschwimmt in violetter Bläue, und wie auf dem Meere wird man von einem kreisförmig abgegrenzten, überall gleichweiten Gesichtsfelde umgeben.
    Millionen von Pferden und Kindern weiden halbwild auf den Weideplätzen der großen Landgüter unter der Aufsicht ebenfalls halbwilder Hirten, der Gauchos, die aus einer Vermischung der Spanier und Indianer entstanden sind und von ihren Pferden unzertrennlich scheinen.
    Die Ebenen von Patagonien bestehen an den Küsten aus unfruchtbaren Sanddünen, in denen Emu’s und Guanaco’s zwischen Dornengestrüpp das spärliche Gras abweiden. Im Innern dehnen sich einförmige, steinige Wüsten, welche von breiten, flachen Thälern durchzogen sind, in denen der Feuerländer Schutz vor den schneidenden Orcanen sucht, welche über das arme, dürftige Land sausen.

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