Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
frei dem Blicke bietet. Deutlich scheiden sich Felsketten und Schluchten, während hier und da über dem Kamme ein majestätischer Bergkoloß thront; die Formen werden bestimmter, Gipfel thürmt sich auf Gipfel und es scheint zuletzt, als ob der Himmel auf ihrem Zackenkamme ruhe.
Aber diese Höhen entbehren des Alles durchwehenden Lebensodems; es fehlt ihnen die milde, wohlthuende Wärme, welche den Keim aus der Erde lockt. Der Condor zieht seine Kreise um die nackten Felsen, hastig treibt der Hirt seine Heerde über die spärlich bewachsene Punna und nur der Goldsucher durchforscht die schneebedeckten, unwegsamen Schluchten. Denn wenn auch die Oberfläche des Bodens dem Wanderer in tiefster Armuth entgegenstarrt, so birgt das Innere der langen Bergesreihen doch Schätze, welche man fast unerschöpflich nennen möchte.
Lange galt der Chimborasso, eine der Cordillerenkuppen, für den höchsten Berg der Erde, doch ist ihm dieser Ruhm schon längst geraubt worden. –
Wandert man durch die ungeheuren Ebenen Sibiriens nach Süden, so steigt man über den Altai zu drei Hochebenen empor, welche terassenförmig über einander liegen und im Süden in die Gebirgslandschaften des Himalaya’s verlaufen. In diesen Hochländern wechseln die größten Reize und Schönheiten mit den größten Gefahren und Schrecken, und daher kommt es, daß die über 30000 Quadratmeilen große Ländermasse uns lange noch nicht ein völlig enthülltes Räthsel ist.
Der Dhawalagiri (
7750 Meter
hoch) ist derjenige Berg, welcher dem Chimborasso den lange behaupteten Ruhm raubte, um ihn bald wieder an den Mount-Everest (
8375 Meter
) zu verlieren, und neuerdings haben die Gebrüder Schlagintweit die Höhe des Gaurisankar als noch bedeutender (gegen
8600 Meter
) angegeben.
Der höchste Berg Vorderasiens ist der Ararat, dessen Gipfel
5500 Meter
über dem Meere liegt. Seine Spitze besteht in einer Platte von 150 Schritten im Umfange, und auf ihr soll sich die Arche Noah’s festgesetzt haben. Ebenso wie der Ararat, ist der Sinai aus der Bibel bekannt. Er spült seinen Fuß im rothen Meere und steigt bis zu einer Höhe von 2500 Metern empor. Noch heute heißt einer seiner zwei Kegel der Dschebel-Musa (Berg des Moses) weil Moses auf ihm die Gesetze seines Volkes von Gott empfangen haben soll.
Das bedeutendste Gebirge Europa’s sind die Alpen, jenes durch seine Schönheiten so berühmte Hochland, zu welchem jährlich Tausende aus allen Weltgegenden herbeiströmen und dessen Pracht und Herrlichkeit kein Dichter auszusingen vermag.
»Am Abgrund leitet der schwind’liche Steg,
Er führt zwischen Leben und Sterben;
Es sperren die Riesen den einsamen Weg
Und drohen Dir ewig Verderben.
Und willst Du die schlafende Löwin nicht wecken,
So wandle still durch die Straße der Schrecken,«
singt Schiller in seinem Bergliede; doch ebenso wahr klingt es auch:
»Abendliche Purpurfluth
Wallt hinauf von Flüh’n zu Flüh’n,
Und du siehst ihr zitternd Bild
Roth im dunklen See erglühn.
Liebe, die der Sonnengott
Berg und Wolken hat gegeben,
Lockt aus der krystall’nen Fluth
Dieses sanfte Purpurleben,«
und diese Gegensätze stehen einander nicht schroff gegenüber sondern werden friedlich vermittelt und vermählen sich zu Landschaftsbildern, wie sie kaum ein anderes Land der Erde aufzuweisen hat.
Der höchste Gipfel der Alpenwelt ist der Montblanc, welcher am 8. August 1786 von Doctor Paccard zum ersten Male erstiegen wurde. Er ist 14810 Fuß hoch.
Dem Gebirge in jeder Beziehung entgegengesetzt ist die Ebene. Wo sie in ihrer reinsten Form auftritt, da erscheint sie glatt, wie der Spiegel des Meeres, und der Horizont ist wie mit dem Lineale gezogen; aber in dieser Weise bietet sie, landschaftlich betrachtet, das Bild der Eintönigkeit, der Oede, ja des Todes.
Die verschiedenen Arten der Ebene werden gekennzeichnet durch die Verschiedenartigkeit des Pflanzenlebens, und unterscheidet man, je nachdem die Fläche mit Baum, Strauch, Kraut und Gras bewachsen oder aller Vegetation bar ist, Savannen, Steppen und Wüsten.
Von der Westküste Afrika’s bis weit in das Hochland Hinterasiens hinein zieht sich ein gewaltiger, 2000 Meilen langer Gürtel dürren, unfruchtbaren Bodens. An die großen Wüsten Afrika’s schließen sich die öden Flächen des steinigten Arabiens; dann folgen die Wüsten Persiens und Afghanistans, die endlich in den Wüsten der Bucharei und Mongolei ihren Abschluß finden. Auf diese ganze ungeheure
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