Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
zeigt und den Menschenfreund veranlaßt, den Gedanken eines Völker-, eines Erdenfriedens festzuhalten: die Humanität. Aus ihr, der Grundbedingung aller menschlichen Wohlfahrt, müssen die geistigen und auch die geistlichen Lebenssäfte emporsteigen in die Aeste und Zweige der Gesellschaft, wenn die erwünschten Früchte reifen sollen, welche man in Liebe erntet und in Sicherheit genießt, »ein Jeglicher unter seinem Dache.«
Das mag wohl sanguinisch gesprochen sein, aber das, was uns die Wirklichkeit nicht bieten will, dürfen wir wenigstens träumen, und ein Traum, welcher uns, wenn auch nur für eine kurze Stunde, liebe Gaben spendet, ist er denn so gar Nichts gegenüber einem Wachen unter unerfüllten Wünschen? Und ist es etwa nicht möglich, daß der Einzelne mit Erfolg wenigstens für seinen Frieden sorgen und sein Leben mit Eintracht schmücken kann? In den Räumen des großen Prachtbaues, dessen Flur die Erde den schönsten ihrer Gaben schmückt und dessen Kuppel das Firmament mit Millionen von Sternen beleuchtet, klirren die Waffen und wogt der Kampf bald hin, bald her. Die politischen Bauten, in denen die Nationen und Völkerschaften sich von einander absondern, sie sind errichtet wie jene Wohnungen der Juden zur Zeit der Richter und Makkabäer, mit dem Schwerte in der Faust, beherbergen den Zwist im eigenen Innern und bedürfen zu ihrem Fortbestehen einer steten Vertheidigung. Aber die Wohnung, welche der Mensch für sich und die Seinen erbaut, um die Lieben am Feuer des häuslichen Herdes zu versammeln, sie kann eine Stätte des Friedens und der Einigkeit sein, wenn es der gegenseitigen Zuneigung gelingt, die Geister der Zwietracht fern zu halten.
Es liegt ja in dem Zwecke und Wesen des Hauses, seine Bewohner nach Außen hin vor schädlichen Einflüssen sicher zu stellen und das Glück der Familie in Schutz zu nehmen. Es soll Alles fernhalten, was die innere und äußere Entwickelung seiner Bewohner benachtheiligen könnte, und den Blumen des Herzens die zu ihrer Entfaltung nöthige Abgeschiedenheit und Ruhe gewähren. Die Stürme des Lebens sollen über seine Firste dahinbrausen und an seinen Mauern abprallen, die Verderben bringenden Elemente Abwehr finden und nur die goldenen Strahlen der Sonne und die Leben gebenden Fluthen der Atmosphäre Zutritt erlangen.
Der Schutz gegen schädliche Natureinflüsse war der erste Zweck, welchen der Mensch verfolgte, als er zum Baue einer Wohnung schritt. Diese bestand zunächst aus einer Hütte, welche er sich von den Zweigen der Bäume errichtete, oder wohl aus einer Höhle, in deren Räumen er sich ein Lager bereitete; doch besaß die Erstere nicht die wünschenswerthe Dauerhaftigkeit, und auch die Letztere zeigte Uebelstände, welche ihn veranlaßten, um ein besseres Obdach besorgt zu sein. Er löste den Rasen von der Erde und trug sich Steine herbei, welche ihm ein festes und dauerhaftes Material boten. Die vier Wände erhoben sich bald, auf Stangen ruhte das aus Geäst oder langen Blättern hergestellte Dach, und – das erste architectonische Meisterwerk war vollendet.
Schon 1. Mos. 4,12 wird von Kain erzählt: »Und er baute eine Stadt, die nannte er nach seines Sohnes Namen Hanoch.« Und Vers 20 heißt es: »Und Ada gebar Jabel; von dem sind hergekommen, die in Hütten wohnen und Vieh zogen.« Wenn wir auch unter der Stadt Hanoch nicht eine Zusammenstellung von Straßen und Häusern zu verstehen haben, wie wir sie uns jetzt bei dem Begriffe »Stadt« vorstellen, so soll durch die erstere Stelle doch wohl eine Gruppirung mehrerer Wohnungen zur Erreichung gemeinschaftlicher Zwecke angedeutet werden, und unter den Hütten, in denen die wohnten welche Vieh zogen, sind kaum etwas Anderes als Zelte zu verstehen. Der Besitzer von Heerden war Nomade und konnte nur solche Wohnstätten gebrauchen, die sich leicht abbrechen und an jedem beliebigen Orte wieder aufrichten ließen.
Natürlich hat die Baukunst mit der Entwickelung der menschlichen Verhältnisse immer gleichen Schritt gehalten und von ihren primitiven Anfängen bis zu ihrer gegenwärtigen Ausbildung eine wechselvolle und gestaltungsreiche Bahn durchlaufen. Von dem Baume, unter dessen herabhängenden Zweigen sich Adam und Eva verkrochen oder den Moos- und Schilflagerstätten der ersten Menschen bis zu den Palästen und Hotels der Gegenwart mußte ein weiter und ruhmvoller Weg zurückgelegt werden, von dem wir eine deutliche Vorstellung erhalten, wenn wir noch die jetzigen Wohnungen der auf
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