Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Bewunderung. Ihre Opfer waren nicht umsonst gebracht, denn aus jedem Seufzer, jedem Tropfen des vergossenen Blutes erstanden neue Bekenner der Wahrheit. Die Liebe ist am größesten, wenn sie leidet. Bald aber erstarkte das Häuflein der Gläubigen; das Christenthum wurde Staatsreligion und nun schlang man um die beglückende Himmelstochter das Gewand menschlicher Leidenschaften, drückte ihr die Waffe in die Hand und trug den kriegerischen Horden der Eroberer das Kreuz voran mit dem festen Glauben an die Wirklichkeit des kaiserlichen Gesichtes: »In diesem Glauben wirst Du siegen!«
Das Beispiel Christi, welcher Petro befahl, das Schwert in die Scheide zu stecken und dieses Gebot mit den Worten »denn wer mit dem Schwerte sündigt, der kommt durch dasselbe um«, begründete, war vergessen und die Religion der Liebe ward auf den Spitzen der Schwerter von Land zu Land, von Volk zu Volk getragen. Unter dem Deckmantel der Religion verbargen sich alle möglichen Gelüste und der Name Christi, des Verkünders der Liebe, ward als Beschönigung der beklagenswerthesten Verheerungen, der Ausrottung ganzer Völkerschaften gebraucht. Mögen die Heldenthaten der Kreuzzüge bis in die fernste Zukunft leuchten, mag die Berührung der damaligen Völker noch so vortheilhafte Folgen hervorgebracht haben, es war doch nur eine ungesund Bewegung, welcher man folgte, und das bei jenen phantastischen Zügen vergossene Blut vermag durch Nichts ausgelöscht zu werden. Mit innigem Bedauern blickt das Auge des Menschenfreundes auf die Trümmer der amerikanischen Atobesstädte und die traurigen Ueberreste der einst so kraftvollen Indianerrace. Von Millionen sind nur noch wenige Tausende übrig, welche unrettbar der Bestimmung des Aussterbens verfallen sind. Mag der Vertheidiger der christlichen Propaganda auch noch so geistreich sprechen, Eins vermag er nicht ungeschehen zu machen, die Umgürtung der christlichen Liebe mit dem Schwerte des Krieges und der Eroberung.
Diese Sünde ist blutig gerächt worden an dem eigenen Leibe des Christenthums. Der Fanatismus mit seiner Inquisition, seinen Ketzergerichten, seinen Religionskriegen hat unzählige Opfer verschlungen, so daß selbst die Gegenwart noch leidet an den Verheerungen längst vergangener Zeiten. Unter dem Banner der Propaganda wird die christliche Liebe zum Zerrbilde. Der christliche Priester ist kein Kalif, welchem befohlen ist, seine Religion mit Feuer und Schwert zu verbreiten, und Jesu Befehl »Gehet hin in alle Welt,« von welchem uns sein Jünger schreibt, bedarf, um richtig verstanden zu werden, einer vorsichtigen Prüfung.
Die Liebe ist nicht nur eine Macht, sondern die größeste der Mächte. Sie kann Niemandem aufgezwungen werden, sondern muß sich ganz von selbst und frei entwickeln. Man kann sie nicht dosisweise nach Kapiteln und Versen zu sich nehmen, auch läßt sie sich nicht an Paragraphe schmieden, sondern als Herrscherin selbst über den größesten der Herrscher kennt sie kein Gesetz und keinen Willen, als nur und allein sich selbst.
Und wie Gottes Licht und Luft als freie Gaben überall zu finden sind und Niemandem entzogen werden können, so waltet die ewige Liebe, Gnade und Barmherzigkeit ohne Ansehen des Standes, des Verdienstes, des Bekenntnisses oder sonst eines äußeren Umstandes, und kein Menschenkind darf sich unterfangen, in die Fülle ihrer Gaben einzugreifen, um sie einem seiner Brüder zu entziehen.
Weg darum mit aller Werkgerechtigkeit! Welches Werk einer Menschenhand wäre wohl so groß, daß es den Allmächtigen zu einer Belohnung zu zwingen vermöchte? Was Du bist, das bist Du aus Gnade und Barmherzigkeit.
Weg darum mit dem Levitenthum! Gott läßt seine Sonne scheinen über Gute und Böse und lässet regnen über Gerechte und Ungerechte. Der Segen des Himmels ist nicht von dem Willen eines Sterblichen oder von menschlichen Bedingungen, seien sie nun willkürlich oder gesetzlich, abhängig, und Niemand, selbst der höchste geistliche Würdenträger nicht, darf sich dünken, einem Andern die Thür des Himmelreiches öffnen oder verschließen zu können. Der Körper läßt sich fassen und in Banden schlagen, ihm vermag man die Erfordernisse seines Wohlbefindens zu schmälern; aber der Geist lacht der Drohung des Finsterlings und des Bannfluches, welcher von der Gewißheit einer ewigen Liebe abprallt wie der müde Pfeil von der Schiene des ehernen Panzers.
Weg darum mit Tod, Hölle und Teufel! Mag das Kind mit seinen Puppen, und der
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