Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
außerordentlich empfänglich und gelehrig, edel, geistreich, witzig und von einer so tiefen Anhänglichkeit an ihren Gatten, ihre Familie und ihr Vaterland beseelt, daß dieses Gefühl sie zur größten und freudigsten Aufopferung zu treiben vermag.
Die Geschichte der polnischen Aufstände hat dieses bis zur Evidenz bewiesen und mit den ergreifendsten Beispielen belegt. Die Frauen versuchten die Krieger mit Rath und That zu unterstützen, begeisterten sie zum todesmuthigen Kampfe, traten sogar selbst mit in die Reihen der Vaterlandsvertheidiger, und als alle, sogar die letzte Hoffnung auf Freiheit und Selbständigkeit gesunken war, gingen sie mit in das Exil, um auf fremdem Boden sich eine neue Heimath zu gründen und nicht gezwungen zu sein, die Frauen unterjochter Männer zu werden.
Die türkischen Frauen würden schön sein, wenn die Haremsabgeschlossenheit, die vielen Bäder, das unaufhörliche Schminken und das immerwährende Sitzen auf eingeschlagenen Beinen ihre Reize nicht in der Entwickelung beschleunigten und ihrem Körper jene übervollen Formen verlieh, welche nur im Morgenlande für eine Zierde der Frau gehalten werden.
Die Ehe ist, was wir von uns Deutschen nur erst seit der neuesten Zeit sagen dürfen, bei den Türken ein bürgerlicher Contract, der vor Gericht von dem Manne mit der Familie der Frau abgeschlossen wird. Dieser Contract regelt das Verhältniß zwischen Mann und Weib bis in das Einzelnste und bestimmt ganz besonders die Höhe des Eingebrachten, des Leibgedinges oder überhaupt der Summe, welche den Frauen im Falle des Todes ihres Mannes oder einer Scheidung verbleiben soll. Deshalb verschreibt ein Großer sehr oft seiner Frau sein ganzes Vermögen, um im Falle der Absetzung oder Confiscation – was einem Türken allerdings sehr leicht und unvermuthet passiren kann – noch wohlhabend zu bleiben. Uebrigens ist dieser Act der Klugheit nicht blos türkischer Gebrauch geblieben, sondern auch nach Westen gekommen und scheint sich sehr zu bewähren, da er von Tag zu Tag mehr Anhänger findet.
Zur Scheidung einer Ehe ist nur nöthig, daß der Mann die Worte spricht: »Du bist geschieden.« Ein Scheidebrief macht dann die Trennung rechtskräftig.
Die Frauen erscheinen tief verschleiert. Das Gesicht wird durch zwei Mousselinbinden so verhüllt, daß nur die Augen zu erblicken sind; auch der Körper wird in der Weise von Gewändern umschlungen, daß die Formen desselben vollständig verschwinden und es dem Neugierigen nur selten einmal glückt, das kleine, volle, weiße Händchen zu sehen.
Sogar kranke Frauen entschleiern sich dem Arzte gegenüber nur in der äußersten Gefahr, und auch dann nur in Gegenwart des Mannes oder einer Dienerin. Sie lassen dann die kranken Theile sehen, verdecken aber sorgfältig die übrigen Glieder. Den Puls darf der Arzt nur durch eine Mousselinschleife befühlen. Weiber, welche als Hebammen dienen, verrichten die meisten Kuren; ein Geburtshelfer wäre auch bei der größten Gefahr unerhört.
Allerdings giebt es auch einige Gegenden der Türkei, besonders der asiatischen, wo die Frauen unverschleiert gehen; ja Abraham Pascha verordnete im Jahre 1838, als er Damaskus besetzt hielt, daß alle Weiber mit unverbundenem Gesichte erscheinen sollten, weil bei Aufruhrversuchen die Empörer sich als Frauen verkleidet und unter ihren Gewändern Waffen verborgen gehalten hatten.
Ihre meiste Zeit bringen die Türkinnen in den Bädern zu, wo sie sich mit ihren Freundinnen treffen, und lange dauernde Klatschgevatterschaften halten. Auch besuchen sie sich gegenseitig in ihren Harems. Die Besuchende läßt dann zum Zeichen der Anwesenheit einer fremden Frau ihre Pantoffeln vor der Thüre stehen, und so lange dieselben stehen bleiben, darf selbst der Herr des Hauses den Harem nicht betreten.
Auch anmuthige Orte vor den Städten werden von den Frauen besucht, wo sie sich vergnügen und mit Scherz und Spiel unterhalten. Männer halten sich von solchen Orten fern. Nie erscheint eine Frau an der Seite eines Mannes und noch heute setzen sich selbst Europäerinnen groben Insulten aus, wenn sie öffentlich mit ihren Männern ausgehen.
Auch Besuche von Männern werden von den Frauen nicht angenommen, und nur außerordentliche Veranlassungen, wie z.B. Heirath, Entbindung, Beschneidung und die großen Feste gestatten eine Ausnahme von dieser Regel.
Diese Bemerkungen gelten sowohl von verheiratheten Frauen als auch von Mädchen, die sich noch züchtiger halten als die ersteren.
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