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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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macht.
    Wie viele Eltern ersehnen sich aus den verschiedensten Gründen das Glück, ein Kind das Ihrige nennen zu können und begrüßen das Erscheinen desselben dann als ein Ereigniß der frohesten Bedeutung, welches selbst   tiefe und unheilbar scheinende heimliche Risse des Herzenslebens vergessen und verschwinden lassen kann. Es besitzt der Vater ja nun in dem Sohne einen Träger seines Namens und den Erben aller Errungenschaften seiner körperlichen und geistigen Anstrengungen. Er weiß nun, für wen er arbeitet, und das Ziel aller seiner Wünsche, Hoffnungen und Bestrebungen hat sich aus weiter Ferne ihm nun näher gerückt und eine Gestalt angenommen, welche im lächelnden Kinde ihm als Ebenbild seines eigenen Wesens entgegenleuchtet. Als Mutter des Neugeborenen ist ihm das Weib nun doppelt theuer, und er bewacht ihr Glück nun mit erhöhter Aufmerksamkeit und doppelter Hingabe, da er weiß, daß der Himmel eines Mutterherzens sich in dem klaren Niveau der Kindesseele widerspiegelt und in dem Letzteren jedes Wölkchen erkennen läßt, welches über den Horizont des Ersteren dahinzieht.
    Und die Mutter? Wohl ist es eine schwere, erwartungsreiche Stunde, die Stunde der Geburt. Nicht umsonst theilt das Schicksal seine Gaben aus; sie müssen errungen, erkauft, erkämpft, bezahlt und verdient sein. Und für die größte seiner Gaben – ein neues Leben – fordert es auch den größten, den höchsten Einsatz – das Leben der Gebärenden. Der alte Fluch »mit Schmerzen sollst du Kinder gebären«, umfaßt nicht die vollständige Größe, den ganzen Umfang jener unendlichen Bangigkeit, welche den Puls und alle Fibern des Innern in der Stunde der Entscheidung schneller schlagen und erbeben läßt. In diesem Augenblicke liegt der Gipfelpunkt der Bestimmung des Weibes, und in ihm zeigt sich das weibliche Heldenthum in seiner augenfälligsten Bedeutung. Das Weib ist eine Heldin nur – im Leiden, und die höchste Passivität liegt in dem widerstandslosen und von der Natur mit aller Strenge geforderten Gehorsam gegen ein Naturgesetz, welches die keuschesten Geheimnisse des weiblichen Körpers zur Preisgabe zwingt und die süßesten und heiligsten Räthsel der Frauenliebe durch die rücksichtsloseste physische Nothwendigkeit zerreißen läßt. Aber ist dieses Opfer gebracht und das »Sesam« wieder geschlossen, welche den Schatz eines entwickelungsreichen Daseins in das Leben treten ließ, dann ist die ermattete Mutterseele nur noch eines Gefühles, nur noch einer Regung, nur noch eines Gedankens fähig, welcher von nun an ihr ganzes Wesen durchdringt – der Liebe, welche den Neugeborenen mit aller Macht umfaßt und für ihn lebt und wirkt bis zu letzten Augenblicke des Erdenlebens.
    In Beiden, in Vater und Mutter, nimmt die schaffende und   wahrende Liebe das Kind in die Arme, trägt es auf sorgenden Händen, lehrt ihm den ersten Schritt auf irdischem Boden und begleitet es ohne Unterlaß auf allen Lebenswegen, mögen diese nun durch duftende Blumengänge oder abschreckende Dornenstriche führen.
    Aber nicht blos durch die Eltern erweist sie sich, sondern sie naht sich dem Erdenkinde von zahlreichen anderen Seiten. Ihr größtes Ritter- und Vasallenthum hat sie sich in dem Bunde der christlichen Kirche errichtet, welcher den Wahlspruch der Liebe als seine schönste, ja seine einzige Devise an der Stirn trägt. Wer seiner Segnungen theilhaftig werden will, muß Zutritt zu ihm nehmen, und deshalb sorgen die Eltern, daß der kleine Weltbürger sobald wie möglich das Sacrament genieße, von welchem Christus sagt: »Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig.«
    Die christliche Liebe, welche in dieser Handlung nun Eigenthumsrecht an dem Kinde findet, stellt demselben einen Vertreter, welcher in ihrem Auftrage zu handeln und sich als »Pathe«, als Vater zu erweisen hat. In dem Pathenverhältnisse hat sie sich ein Monument gesetzt, welches der treueste Zeuge ihres Wesens und ihrer beglückenden Wirkungen ist; leider aber wollen so wenige Pathen ihre Verpflichtungen recht erkennen und üben. Man hat schon längst begonnen, die Taufe für nichts Anderes und Weiteres, als eine Veranlassung zum gesellschaftlichen Vergnügen anzusehen, bei welcher es stets darauf ankommt, den Eltern neben der gewöhnlichen freundschaftlichen Gesinnung eine gewisse Opferwilligkeit zu zeigen. Wie Vielen ist die sakramentliche Handlung entweder ein reiner Act des Vergnügens oder der Gegenstand einer Zumuthung, der man nur aus Höflichkeit

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