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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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oder allgemeiner Rücksicht nachkommt, und doch ist mit dieser Handlung die Anerkennung von Verpflichtungen verbunden, welche nur mit dem Leben selbst verlöschen.
    Der Pathe hat eigentlich und zunächst dafür zu sorgen, daß das Kind in der christlichen Religion unterrichtet und zu einem christlichen und sittlich reinen Lebenswandel angehalten werde. Das ist die eigentliche Verpflichtung, welche er bei seiner Theilnahme an der Taufe auf sich genommen hat. Die Pathen sollen zuerst vom römischen Bischof Hyginus, um das Jahr 140 nach Chr. eingeführt worden sein; doch kommen sie erst seit Anfang des dritten Jahrhunderts vor, und es sollten deren drei Classen geben: für unmündige Kinder, für Erwachsene, welche wegen irgend einer Krankheit nicht antworten konnten, und sodann für Erwachsene überhaupt.
    Den Ursprung der Sitte, bei der Taufe Pathen anzunehmen, erklären Viele aus der bei der jüdischen Beschneidung stattgehabten Gewohnheit, fromme und ehrbare Männer dazu als Zeugen zu nehmen, Andere aber aus der Bedeutung der Taufe als den Eingang zu einem Bunde, zu dessen Gültigkeit und Sicherheit im bürgerlichen Leben gewisse und zuverlässige Zeugen nöthig waren. Anfangs waren die Eltern Pathen, was jedoch 813 durch einen Concilbeschluß zu Mainz verboten wurde. Bei Erwachsenen waren es ursprünglich Diakonen und Diakonissinnen, und wenn es später auch anderen Personen gestattet wurde, so mußten dieselben getauft und in der christlichen Religion erzogen und erwachsen sein. Trotzdem man sonst Mönche und Nonnen gern mit einem Nimbus, mit einem Heiligenscheine umgab, wurde ihnen die Erlaubniß, Pathe zu stehen, im Jahre 578 verweigert. Die ältere Kirche hat über die Zahl der Taufzeugen nichts benimmt, und gewöhnlich war es nur eine Person aus demselben Geschlechte, dem auch der Täufling entstammte. Im 12. Jahrhundert waren es zwei, auch vier, und erst im 13. Jahrhundert wurde die Zahl auf drei festgestellt, um mit derselben einen Hinweis auf die heilige Dreieinigkeit zu geben. Aus Habsucht der Klerikalen erließ die ältere Kirche ein Verbot, in welchem das Heirathen unter Pathen ohne Dispensation nicht gestattet war, weil eine geistige Verwandtschaft unter ihnen stattfinde; doch verlor glücklicherweise in Folge der Reformation in der protestantischen Kirche dieses Verbot seine Kraft.
    Außer der ihm gewordenen kirchlichen übernimmt der Taufpathe unstreitig auch eine über dieselbe hinausreichende moralische Verpflichtung. Er ist eigentlich an Stelle des Vaters oder der Mutter an den heiligen Ort getreten, hat für den kirchlich- sittlichen Lebenswandel seines Pathenkindes gut gesagt, sich für denselben mit seinem Worte verbürgt und in Folge dessen also auch für die Erfüllung seines Versprechens mit seinem sittlichen Werthe einzustehen. Dieses Einstehen aber kann unmöglich stattfinden, wenn die Taufe als ein bloßes Familienfest betrachtet wird, welches als ein in sich abgeschlossenes Ereigniß genannt werden muß, vielmehr kann der Pathe nur dann seinem Versprechen treu bleiben, wenn er es als seine Aufgabe hält, die Eltern zu ergänzen, sie in ihren Bemühungen der Kindererziehung zu unterstützen und nöthigenfalls, wenn sie dem Tode verfallen, sie, wenn auch nicht in jeder, so doch in den nothwendigsten Beziehungen zu ersetzen. Hier ist es nur die Liebe, und vorzugsweise die christliche Liebe,   welche sich zu einer Anschauung zu erheben vermag, die eine Aufgabe nach ihrem ganzen und vollständigen Ernste betrachtet und sich auch nicht durch irgend welche leichte oder schwere, einzelne oder fortgesetzte Opfer zurückgeschreckt fühlt. Der Pathe übernimmt Vater-, die Pathin übernimmt Mutterpflichten, und wo die rechte, rücksichtsvolle Liebe waltet, da wird diese Verpflichtung nicht vergeblich auf ihre Erfüllung warten.
    Hierbei berühren wir einen Punkt, welcher zu den trübsten und traurigsten des Erdenlebens gehört und dessen ganze Tragik in dem Worte »Waisenkind« sich ausspricht:
     
    »Habt ihr verwais’te Kinder geseh’n
    Auf dem Kirchhof –
    Wie sie am Grabe der Eltern steh’n
    Auf dem Kirchhof?
    Sie suchen nach Liebe am heiligen Ort
    Und finden doch kein liebendes Wort
    Auf dem Kirchhof!«
     
    sagt Annette Freiin von Droste-Hülshoff in einem ihrer tiefempfundenen Gedichte und umfaßt mit diesen wenigen Versen eine ganze Welt des Verlassenseins, der lieb- und freudlosesten Einsamkeit. Kein Verlust ist größer, als derjenige, welcher uns die Eltern raubt, und wird um so

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