Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
und goldenen Zeitalter? Sind nicht Ausdrücke wie »silberne, goldene und diamantene Hochzeit« sogar im Familienleben gebräuchlich? Klingt nicht der fürchterlichste Fluch des alttestamentlichen Gesetzgebers nach einem »ehernen Himmel« und einer »Erde von Eisen?« Welche Macht übt das todte Metall, das Gold und Silber in Form des Geldes auf die Gestaltung eines menschlichen Lebens? Gehört nicht eine Betrachtung dieser Wirkungen in diejenige Wissenschaft, welche wir Geschichte nennen? Und was sind alle jene kostbaren Metalle und Steine, nach deren Besitze der Mensch sich sehnt und um deren Erwerb er Alles wagt, sogar zu Sünde und Verbrechen schreitet? Der Diamant, der Smaragd, der Rubin sind Stoffe, die uns in anderer Gestalt täglich umgeben und in dieser alltäglichen Form geringen oder auch wohl gar keinen Werth besitzen. Welches Zusammentreffen verschiedener Umstände, welche gewaltige Reihe von Jahren gehört zur Krystallisation eines Steines, welcher an dem Goldreife eines Fingers funkelt? Wäre eine Darstellung all’ dieser Umstände und Vorgänge nach ihrem Ursprunge, Verlaufe und ihrer weiteren Wirkung nicht Geschichte? Und wäre diese Geschichte nicht von einer Wichtigkeit für unsere Kenntniß sowohl als auch für die aus der Analogie schließende Logik des forschenden Menschengeistes?
Wenn es Steine giebt, die wie aus zart zusammengelegten Blättern gebildet erscheinen, die als feine Fäden oder glänzendes Haar sich zeigen, wenn gewisse Metalle Bildungen treiben, die dem Moose, der Flechte, dem Baume mit Aesten und Blätterwerk gleichen – wenn gewisse Pflanzen dem Thiere gleichen, indem sie sich ernähren und begatten oder schlaffen und erwachen gleich ihnen – wenn wieder unter den Thieren in allmäliger Uebergang von den niederen Formen zu den höheren und sogar geistig begabten Gestalten stattfindet, wenn eine Ordnung in Beziehung auf die Gestalt, die Art der Bewegung, das Element, in welchem ihre Individuen leben, mit der andern in Verbindung steht – wenn das ausgebildetste aller Thiere, der Vierhänder, eine Aehnlichkeit mit dem Menschen zeigt, die selbst von den Idealisten oder dem strengen Bibelgläubigen nicht weggeleugnet werden kann und die ernstesten und begabtesten der Naturforscher zu der vekanten Darwinschen Abstammungstheorie getrieben hat – was spricht sich in alledem aus? Geht nicht ein unzerreißbarer Faden durch die ganze Reihe der irdischen Gebilde, der dieselben nicht nur in Beziehung auf ihre Zusammengehörigkeit vereinigt sondern diese Zusammengehörigkeit auch in Hinsicht auf die Zeit ihrer Entstehung nachweist und also eine geschichtliche Darstellung der irdischen Schöpfungsglieder enthält?
Und zählen wir die Stufen, welche die Schöpfung von der niedrigsten Daseinsform bis hinauf zu der Höhe, auf welcher der Mensch sich befindet, nach Millionen, sehen wir, wie dieser Mensch mit der sich immer vergrößernden Macht seines Geistes hinaufstrebt nach höheren Punkten und hineinlangt in Zonen, welche weit außerhalb seines jetzigen Lebens liegen, so müssen wir den Glauben verwerfen, welcher den Menschen für die letzte und höchste Stufe der Schöpfungsleiter erklärt, und sind berecht zu der Annahme von Daseinsweisen und Lebensformen, für welche unser Auge nicht geöffnet ist, nach denen zu streben aber zu den heiligsten Aufgaben unseres irdischen Waltens und Wirkens gehört.
Wenn wir hier auf der Erde sehen, wie die Pflanze dem Steine, das Thier der Pflanze, der Mensch dem Thiere verwandt und ähnlich ist, wie eine dieser Formen durch tausend Beziehungen mit der andern verbunden ist, ohne etwas von ihr zu wissen, ja, ohne nur eine Ahnung von ihr zu haben, so lächeln wir ganz gewiß nicht über den gläubigen Sinn, welcher diese Verwandtschaft auch für über uns liegende Wesen und Welten annimmt und dieses Leben für eine Vorschule eines andern Lebens, für eine Vorbereitung zu höheren Zielen erklärt.
Weiß der Schmetterling von der Raupe etwas, aus welcher er sich entwickelt hat? Und wenn nicht, soll deshalb die Raupe behaupten dürfen, daß es keinen Schmetterling gebe? Wenn es über uns noch Daseinsformen giebt, ist es denn unbedingt nothwendig für ihr Bestehen, daß wir von ihnen wissen? Folgt nicht im innern Leben des Menschen ein Gefühl aus dem andern, ein Gedanke aus dem andern, ein Entschluß aus dem andern, ohne daß wir bei unserem jetzigen Denken, Fühlen und Wollen eine Ahnung von dem Folgenden haben? Und ist diese Folge eingetreten,
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