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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu bringen, und deshalb klopft er seinen Stoff über den Leisten des Fürchterlichen. Auf der fünften Seite schon hat er seine Personen vorgestellt; auf der zehnten wird die Luft schwül; auf der zwanzigsten wittert es; auf der dreißigsten schlägt es ein; auf der vierzigsten beginnt das große Sterben und auf der letzten sind sie Alle todt außer den wenigen Bevorzugten, welche Se. schriftstellerische Majestät zur süßen Angewohnheit des Lebens begnadigt hat. Wozu also Talent und künstlerische Gestaltungsgabe! Und der sittliche Ernst? »Nur in aller Welt keine Scrupel; denn dieser sogenannte Ernst bringt nichts als Ladenhüter zu wege! Die Gefühle und Leidenschaften, welche das Fatum in die Menschenbrust legte, haben ihre Berechtigung; denn sie sind da. Räuber zu Lande und zu Wasser, Banditen im Ritterharnisch oder Calabreserhute, Vater-, Bruder- und Kindesmörder, Spitzbuben von jedem Kaliber, Inquis-, Jesu- und andre ›iten‹, alles das hat es gegeben und noch vieles Andre mehr. Warum also soll man nicht davon schreiben?«
    So werden denn die Keime des Bösen, welche in der Verborgenheit des Busens schlummern, erweckt und groß gezogen, zur Blüthe und zur Frucht gebracht. Der Roman beschützt und verklärt den Verbrecher, läßt seine That als Heldenthat erscheinen und belohnt sie mit der großen goldenen Medaille. Nicht er ist ein Feind der Gesellschaft, sondern diese ist an ihm zur Verbrecherin geworden und muß deshalb bestraft werden. Kunibert von Eulenhausen, der berühmte Raubritter, wird ein Königssohn; Himmlo Himmlini, der Räuberfürst, wird ein Graf, und bekommt die schönste Frau hundert Meilen in der Runde; die italienischen Berge und Maremmen, die spanischen Sierren, die ungarischen Pußten, die sarmatischen Ebenen sind belebt von Bravos, denen eine glänzende Apotheose und ein rührendes Denkmal bevorsteht, und bekommt einmal einer dieser Jaromirs, Rocza Szandors oder Gasparinos den wohlverdienten Strick um den Hals, so möchte man in stiller Bewunderung seiner Großthaten und heiliger Entrüstung über ein so lebensgefährliches Maneuvre das ganze hochlöbliche Richtercollegium an denselben Galgen aufknüpfen, welcher die hohe Sendung zu erfüllen hat, die hölzerne Ursache eines so ledernen Endes zu sein.
    Wie angeleimt sitzt der Leser über solch einem Buche und staunt die glänzenden, mit allen möglichen Pinseln und Farben herausgestrichenen Gestalten an. Er lebt sich in ihre Verhältnisse, in ihre Anschauungen, in ihre Denkweise hinein; er jubelt, wenn sie Erfolg haben; er ärgert sich, wenn sie unterliegen. »Nach Sevilla, nach Sevilla!« ruft es in seinem Innern; er möchte mitthun, möchte sich mit gleichem Ruhme schmücken, sich eines ähnlichen Lebens erfreuen und würde Vater und Mutter oder Weib und Kind verlassen, um die Höhle auf dem Monte-Viso vertheidigen zu helfen oder irgend eine schöne, dunkelgelockte Marchesa zu erobern. Er merkt nicht, daß seine Rechtsbegriffe sich verwirren und ahnt ebenso wenig das Unheil, welches ihm aus dieser Verwirrung erwachsen kann. So werden die wohlthätigen Bemühungen seiner Eltern und Lehrer ihres Erfolges beraubt; die Eindrücke, welche eine gute, auf sein Wohl zielende Erziehung hinterließ, verwischen sich, und die bisher so sorgsam gehegten und gepflegten Bilder, welche er aus seiner unschuldigen Kinderzeit mit herübernahm, erblassen immer mehr. Er hat Theil genommen an der Schuld seiner Helden, zwar nicht in der That, aber doch in dem Gedanken, und leicht kann diese innere Schuld maßgebend werden für sein späteres Denken, Reden und Handeln. Die Luft, welche zwischen den Blättern seiner Romane ihm entgegen wehte, war verpestet; er hat die gefährlichen Miasmen eingeathmet, und der Krankheitsstoff, welcher nun durch seine Adern pulsirt, macht   seine geistige Organisation empfänglich und geneigt zur Ansteckung. Geht in die Zucht- und Arbeitshäuser und fragt die unglücklichen Bewohner dieser »dunklen Orte«, aus welcher schmutzigen Lache sie den ersten verführerischen Trunk schöpften! Vielleicht wird ihnen die nöthige Befähigung und Einsicht, auf die erste und eigentliche Ursache ihres Strauchelns zurückgehen zu können, mangeln; aber den Rinaldo, den Schinderhannes, den Abällino und Konsorten kennt fast jeder von ihnen, der nur lesen kann, und wenn ich auch weit entfernt von der Behauptung bin, daß die größte Schuld der sittlichen Korrumption auf das Lesen schlechter Bücher zu werfen sei, so ist doch für den

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